Eine weitere Verfilmung des Romans von Theodor Fontane mit einer deutlich zu alten Schauspielerin in der Titelrolle. Nichts gegen Julia Jentsch, aber sie ist in keinem Augenblick des Films auch nur annähernd ein siebzehnjähriges Mädchen. Der Film fängt auch gleich schlecht genug an, da er die erste Begegnung Effis und Instettens auf einen Ball verlegt. Nicht nur ändert das den Charakter der Bewerbung Instettens komplett, der nun Effi bereits einmal getroffen hat, als er um ihre Hand anhält, es verdirbt auch die Pointe Fontanes, bei dem Effi von einem Augenblick auf den anderen aus der Welt ihrer Kindheit in die der Erwachsenen wechselt.
Auch der Rest des Films kann in keinem Augenblick die Subtilität Fontanes auch nur erahnen lassen: Major Crampas wirkt hauptsächlich durch seine Männlichkeit, anstatt mit seinem Esprit um Effi werben zu müssen; Effi fährt wegen angeblicher Schwächeanfälle zur Kur, nicht wegen ihrer anhaltenden Kinderlosigkeit; der Chinese steht nach der Scheidung plötzlich an Effis Badewanne und nicht am Kessiner Ehebett, wohin er einzig gehört, und last not least erspart uns Regisseurin Hermine Huntgeburth auch nicht die Peinlichkeit, dem ersten Geschlechtsverkehr des Ehepaars Instetten beiwohnen zu müssen, der natürlich nichts anderes sein darf als ein gespieltes Klischee. Am Ende stirbt Effi auch nicht, sondern geht als gestärkte, beinahe schon gänzlich emanzipierte Amazone aus der Krise hervor. Alles andere, so belieben uns Regisseurin und Hauptdarstellerin mitzuteilen, sei nicht zeitgemäß. – »O brave new world, that has such people in’t!«
Gegen all das ist natürlich gar nichts einzuwenden, denn jedefrau darf mit dem Stoff machen, was ihr beliebt. Nur Kenner und Liebhaber Fontanes sollten es sich eben ersparen, diese Perlenkette von Banalitäten, die sich für eine Verfilmung des wundervollen Buchs ausgibt, anzuschauen.
Effi Briest. Regie: Hermine Huntgeburth. Constantin Film, 2009. 1 DVD. Laufzeit ca. 113 Minuten. Sprache: Deutsch. FSK: ab 12 Jahren. Extras: Making-of, Deleted Scenes, Interviews u. a. Ca. 16,– €.
Manueller Trackback: „Deutschlehrer (ebenso wie die Lehrer anderer Sprachfächer) freuen sich grundsätzlich über Verfilmungen von Lehrplan-Klassikern, geben sie doch Illustrationsmaterial für …“ -> Tulgey Wood
Hallo, ich lese und schmunzele: Weil ich kürzlich auch zum Film geblogt habe und feststelle: Wir nennen mehrere identische Beobachtungen und kommen dann doch zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Ich mag den Film. Chinese hin, schlimmes „erstes Mal“ her. Wenn die Kamera über den Kessiner Strand fliegt, um dann wieder in Innstettens kalter und trister Behausung zu enden, wenn die Jentsch als Effi in energischem Schritt vor den perplexen Augen Innstettens ihr Berlin erobert, dann rutsche ich wohlig tiefer in den Fernsehsessel hinein. :o)
Jetzt habe ich Ihren Kommentar und den des Clownfischs mit viel Interesse gelesen. Denn auch ich habe mich vor längerer Zeit an einer Rezension der Verfilmung meines Lieblingsromans von Fontane versucht.
Beide, die Ihre und die Ihres Kommentators, haben mir wegen ihrer Genauigkeit und Ernsthaftigkeit gefallen.
Aber Übereinstimmungen habe ich hier eher gefunden. Und darüber habe ich mich sehr gefreut.
Gruß
Gunhild