Roman um einen jungen, jüdischen Tausendsassa, der in den Nachkriegsjahren in Montreal eine fieberhafte geschäftliche Tätigkeit entwickelt, um in den Besitz eines Sees zu gelangen, an dem er Hotels und ein Ferienlager errichten möchte. Er gründet zu diesem Zweck eine Filmproduktion, die Hochzeiten und Bar-Mizwa-Feiern dokumentiert. Da Duddy jedoch einen in Hollywood durchgefallenen, avantgardistischen Regisseur anheuert, muss er all seine Überredungskünste aufbringen, um seinen ersten Film als Kunstwerk verkaufen zu können. Nebenbei holt er seinen weggelaufenen Bruder Lennie wieder zurück und rettet dessen Medizinstudium, fährt, wenn das Geld mal wieder knapp wird, zusätzliche Schichten im Taxi seines Vaters, vereinigt seinen totktranken Onkel wieder mit dessen Frau, vermittelt hier und da einige kleinere Geschäfte, wird unfreiwillig als Drogenkurier eingesetzt und erleidet, wie nicht anders zu erwarten, einen ordentlichen Nervenzusammenbruch. Und natürlich kommt auch die Liebe vor:
»Ich kapier’s nicht«, sagte Duddy nachher. »Stell dir mal vor, Kerle heiraten und hängen sich für ihr ganzes Leben an ein einziges Weib, dabei laufen so viele herum.«
»Menschen verlieben sich«, sagte Yvette. »Das kommt vor.«
»Es stürzen auch Flugzeuge ab«, sagte Duddy.
Erzählt wird all dies in einem hohen Tempo und mit einem ausgeprägten Sinn für Humor. Sowohl die Milieuschilderungen als auch die Charaktere sind durchweg überzeugend. Nur das Ende des Romans fällt ein klein wenig ab; hier scheint Richler der entscheidende Einfall gefehlt zu haben.
Erstaunlich ist, dass dieser Roman bereits 1959 erscheinen ist – er war Richlers Durchbruch –, seine Verfilmung 1975 sogar für einen Oscar nominiert war, er aber erst 2007 auf Deutsch erschienen ist. Das scheint dafür, dass Richler als einer der bedeutendsten Autor Kanadas gilt, eine ungewöhnlich lange Zeitspanne zu sein. Wollen wir hoffen, dass Richler auch spät noch die Leser findet, die er verdient.
Mordecai Richler: Die Lehrjahre des Duddy Kravitz. Aus dem Englischen von Silvia Morawetz. Fischer 18074. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2009. 432 Seiten. 9,95 €.
Eine sehr schöne Kritik des großen Romans! Wie, lieber Herr, sind Sie nur auf den gekommen?
Alberne (und immer noch dankbare) Grüße!
KJ
Es handelte sich um eine Empfehlung eines Lesers diese Blogs! 😉 Herzlichen Dank noch einmal für den Hinweis. Mehr Richler »in diesem Theater« bei nächster Gelegenheit.
Denn sowohl „Barney’s Version“ als auch „Joshua Then and Now“ sind noch mal besser und spielen in einer anderen Liga als „Die Lehrjahre…“. Viel Spaß beim Lesen und Verschlingen!