Peter Noll: Diktate über Sterben und Tod

978-3-492-25723-7 Als das Buch 1984 erschien, habe ich es nicht wahrgenommen. Erst durch die Lektüre des Dritten Tagebuchs von Max Frisch, in dem Peter Nolls Sterben eine bedeutende Rolle spielt,  bin ich darauf aufmerksam geworden. Ich habe es nun als ein Seitenstück zu Max Frischs Werken zur Kenntnis genommen und auch nur deshalb wenigstens einigermaßen zu Ende gelesen; will sagen, das angehängte Theaterstück »Jericho« von Noll habe ich nicht mehr zur Kenntnis genommen.

Peter Noll war ein bekannter Schweizer Jurist, der im Dezember 1981 mit Blasenkrebs diagnostiziert wurde, es aber abgelehnt hat, sich operativ oder anderweitig behandeln zu lassen. Er wollte einen »natürlichen Tod«, wie es an einer Stelle heißt, ohne dass uns das Buch weiter darüber Auskunft gibt, was denn das für ein Phänomen sein soll. Noll nimmt, wohl angeregt durch Max Frisch, das Tagebuchschreiben auf, wobei er sympathischer Weise immer wieder große Zweifel an dem Sinn eines solchen Unternehmens hegt. Er verbreitet sich auf knapp 260 Seiten nicht nur über die Entwicklung seiner Krankheit, sondern auch über Recht und Unrecht, Recht und Macht, Evolution und Intelligenz und viele, all zu viele Male über Gott und Jesus Christus. Das ist verständlich, da er aus einem protestantischen Pfarrhaushalt stammt, macht das Buch aber leider nicht besser.

Das Buch ist weitgehend ungeordnet und bleibt, was die behandelten Themen angeht, oberflächlich. Hier und da findet sich ein netter kleiner Aphorismus, aber wie schon Karl Kraus so richtig bemerkte, fällt das Aphorismenschreiben denjenigen leicht, die es nicht können. Für einige Leser mag das Buch sentimentalen Wert haben, aber mir ist letztendlich unverständlich geblieben, warum das Buch bis heute im Druck ist. Immerhin handelt es sich mindestens um die siebte Auflage des Taschenbuches bei Piper, und auch von der gebundenen Ausgabe sind mehr als 90.000 Exemplare gedruckt worden. Nun denn.

Wie oben schon angedeutet, enthält das Buch einige Beigaben: So schließen sich an den eigentlichen Text eine kurze Beschreibung von Nolls letzten Tagen, die Totenrede Max Frischs, Nolls Drama »Jericho« von 1968 und ein Schriftenverzeichnis Nolls an.

Peter Noll: Diktate über Sterben und Tod. Mit der Totenrede von Max Frisch. Piper Taschenbuch 5723. München, Zürich: Piper, 2009. 374 Seiten. 9,95 €.

7 Gedanken zu „Peter Noll: Diktate über Sterben und Tod“

  1. Sie haben geschrieben: „mir ist letztendlich unverständlich geblieben, warum das Buch bis heute im Druck ist. “

    Da Peter Noll nicht anders als ein Tagebuch geführt hat, mir würde interessieren, welche Unterschied besteht Ihrer Meinung Nach zwischen Nolls Buch und Frischs Tagebücher bezüglich der Würde im Druck zu bleiben.

    Beste Grüße
    Jacopus

  2. Was mich an Nolls Buch stört, habe ich ja geschrieben. Und dass Noll keine weiteren literarischen Bücher veröffentlicht hat, macht sein Buch nicht besser. Frischs Tagebücher dagegen sind keine Tagebücher im ursprünglichen Sinne, sondern durchkomponierte Notizbücher, die wesentliche Stücke in seinem gesamten literarischen Werk sind. Nolls und Frischs Bücher sind in keiner Weise als gleich gewichtig anzusehen.

    Beantwortet das Ihre Frage?

  3. Danke für die Antwort. Aus literarischer Sicht bin ich einverstanden. Nolls Book betrachte ich als Bericht einer menschlichen Erfahrung und das Leben soll nicht literarisch gerechfertigt werden. Oder?

    Schöne Grüße
    Jacopus

  4. Ich bin nicht sicher, was das bedeuten soll, das Leben literarisch zu rechtfertigen. Nolls Buch jedenfalls enthält deutlich mehr als den Bericht einer menschlichen Erfahrung, und wenn ich es recht sehe, habe ich auch nur diesen Überschuss kritisiert.

  5. Ja, es stimmt. Sie haben nur den Überschuss kritisiert. Vielleicht war es mir zu wichtig, Nolls Bericht über seine Erfahrung zu verstehen und alles was andere Thematik hatte, habe ich als Chanche gespürt, um den Mensch Peter Noll auch in andere Hinsicht ein bisschen kennenlernen zu können.

    Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

  6. Ich bringe es gleich auf den Punkt: Das ist eines der besten Bücher, die ich bisher gelesen habe. Insofern bin ich ganz und gar nicht Ihrer Meinung, dass das Buch oberflächlich geschrieben ist. Berücksichtigt man, dass Peter Noll kein Schriftsteller im eigentlichen Sinn ist/war, dann ist es nach meiner Meinung sogar ein kleines Meisterwerk. In der Sprache klar, präzise und sachlich, manchmal ironisch mit heiteren Anflügen und in jedem Fall bis heute hochaktuell… nicht nur in der Beschreibung des Krankheitverlaufs. Natürlich wird das die High Society der Schriftsteller nicht so sehen, denn in ihrer blinden Selbstgefälligkeit und gegenseitigen Lobhudelei gibt es für Peter Noll keinen Platz.

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