A great deal of nonsense is written every day …
Da gerade die deutsche Übersetzung dieses in der englischsprachigen Welt nahezu durchweg positiv besprochenen Büchleins erschienen ist, habe ich mir endlich einmal das Original besorgt und angelesen. Wood selbst stellt seine Einführung in die Belltristik in eine Reihe mit Ruskins »The Elements of Drawing« (1857); es scheint also für alle jene geschrieben, die zwar die Literatur lieben, aber wenig Bewusstsein für ihre Gemachtheit besitzen. Von daher gehöre ich eher nicht zur Zielgruppe des Autors, und ich sollte mich vielleicht eines Urteils gänzlich enthalten. Da nun aber zumindest einige Leser hier ebenfalls nicht zur Zielgruppe gehören, mögen wenigstens diese gewarnt sein und Zeit und Geld sparen.
Ich habe mich bei der Lektüre gehörig gelangweilt, da ich weder originelle noch sonst überraschende oder erhellende Gedanke finden konnte. Die zweite Hälfte habe ich denn auch nur noch kursorisch angeschaut, und die Lektüre dann schulterzuckend abgebrochen. Damit soll nicht gesagt sein, dass das Buch für den Normal-Leser nicht anregend sein kann. Die meisten Leser begegnen einem fiktionalen Text in der Regel wie einem Naturereignis. Nur wenige machen sich bewusst, dass in einer Fiktion jedes einzelne Detail auf einer bewussten oder unbewussten Entscheidung des Autors beruht, dass jedes einzelne Detail auch anderes hätte ausfallen können – natürlich oft mit weitreichenden Folgen für den gesamten Text.
Es ist sicherlich so, dass Wood die Grundelemente, die die Erscheinung und das Gelingen eines Textes bestimmen (so etwa Erzählperspektive, grammatikalische und ontologische Zeit, Bestimmtheit oder Vagheit, Charakterbildung und Sprache), kurz und prägnant anreißt. Dabei verzichtet er sowohl auf jeden systematischen Balast als auch auf akademische Sprache und Gestus. Er plaudert in kürzeren und längeren Abschnitten über das, worauf man beim Lesen achten könnten, liefert zahlreiche Beispiele aus der gehobenen Literatur, die er zumeist angemessen erläutert. Hier und da zuckt der professionelle Leser auch einmal zusammen, weil Wood deutlich zu kurz greift, aber so richtig falsch gerät es an keiner Stelle; so richtig richtig aber eben auch nicht.
James Wood: How Fiction Works. London: Vintage, 52009. Broschur, 194 Seiten. 10,– €.
Ich las es schon kurz nach Erscheinen und sehe es ganz ähnlich: http://koellerer.net/2009/07/11/james-wood/
Auch wenn der „professionelle Leser“ (was ich beilieibe nicht bin!) hier und da zusammenzuckt, spricht das nicht gegen das Buch, das sich ja offenbar an den gebildeten „guten Leser“ (im Arno Schmidt’schen Sinne) richtet, der sich ein paar weitergehende Kenntnisse aneignen möchte, um seine Lektüre bewußter, verständiger und damit befriedigender zu machen. Vergleichbar etwa dem Musikfreund, der sich über die Struktur der Sonatenhauptsatzform informiert, um eine klassische Symphonie besser zu begreifen, aber deshalb noch lange nicht den Quintenzirkel beherrschen oder gar Partituren lesen können muß.
Nachdem die anderen großen Zeitungen dieses Buch groß bejubelt haben (was weniger über das Buch als über die Zeitungen aussagt), steht heute in der NZZ endlich eine verläßlichere Rezension, die ich zur Lektüre empfehlen würde:
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/buchrezensionen/handreichungen_zum_lesen_1.13292743.html