Bereits im Jahr 2000 in Dänemark erschienen, ist das Buch im skandinavischen Raum angeblich kontrovers diskutiert worden und nun auch auf Deutsch erschienen. Erzählt wird die Geschichte einer 7. Schulklasse im kleinen Ort Tæring, in der der Schüler Pierre Anthon zur Entdeckung der Konsequenzen des Nihilismus vordringt: »Nichts bedeutet irgendwas, das weiß ich seit Langem. Deshalb lohnt es sich auch nicht, irgendetwas zu tun.« Wie die meisten nihilistischen Schwätzer geht Pierre Anthon nun aber nicht zum Nichtstun über, sondern wird zum Propheten des Nihilismus, der seinen Mitschülern auf die Nerven geht.
Da seine Mitschüler philosophisch ebenso unbelehrt sind wie der Prophet (und wahrscheinlich auch die Autorin), entwickeln sie ein Projekt zu seiner Widerlegung: In einem aufgegebenen Sägewerk tragen sie einen Haufen von Gegenständen zusammen, die Bedeutung haben. Damit niemand schummelt, legt jeder Schüler jeweils für einen anderen fest, was für denjenigen von Bedeutung ist und was er hergeben muss. Zu Anfang sind die Opfer am Altar der Bedeutung harmlos, aber mit der Zeit übertrumpfen sich die Vorschläge: Die Unschuld von Sophie, der Sarg mit dem toten Bruder von Elise, ein abgeschnittener Hundekopf und zum Schluss der abgeschnittene Zeigefinger Jan-Johans, des Gitarrenspielers der Klasse.
Nach diesem letzten Opfer fliegt das Projekt der Schüler auf. Nun muss der Leser eine wahrscheinlich satirisch gemeinte Darstellung der modernen Medienlandschaft durchlaufen. Nachdem die Autorin auch das abgekaspert hat, kommt es zum Showdown: Der Prophet Pierre Anthon wird mit dem – inzwischen vom New Yorker MOMA als Kunstwerk angekauften – »Berg der Bedeutung« konfrontiert, aber da er (und wahrscheinlich die Autorin) kein ganz so großer Schwachkopf ist wie seine Mitschüler, macht er sich über deren hilflosen Versuch, Bedeutung anzuhäufen, zu Recht lustig. Er wird daraufhin von seinen Mitschülern ebenso zu Recht erschlagen und Leiche und Berg der Bedeutung anschließend verbrannt. Um ihren Kult um die Bedeutung abzuschließen, sammeln die Schüler schließlich die Asche ihrer Jugend ein und jeder kriegt ’ne Flasche.
Der Text funktioniert überhaupt nur, da er im pseudonaiven Ton einer der Mitschülerinnen erzählt ist. Jeder Hauch nur einer ernsthaft erwachsenen Perspektive würde den ganzen Unfug des Buches augenblicklich zusammenbrechen lassen. Es ist kein Wunder, dass ein solches Buch in einem Land, das Peter Sloterdijk für einen Philosophen hält, auf den Bestsellerlisten landet.
Janne Teller: Nichts. Was im Leben wichtig ist. Aus dem Dänischen von Sigrid C. Engeler. München: Hanser, 2010. Broschiert, 140 Seiten. 12,90 €.
> Jeder Hauch nur einer ernsthaft erwachsenen Perspektive würde den ganzen Unfug des Buches augenblicklich zusammenbrechen lassen.
Dazu muss man gar nicht sonderlich erwachsen sein. Ich weigere mich zu glauben, dass 14-, 15-Jährige so dumm sind. Pierre Anthon muss gar nicht widerlegt werden, der widerlegt sich selbst. Ich habe das Buch mit einer Mischung aus Langeweile, Verwunderung (über den Erfolg) und Verägerung (über die reflexionslose Dummheit des Personals) gelesen. Das klang in den Rezensionen recht interessant, erwies sich aber eher als Rohrkrepierer.
Ach, erwachsene Perspektiven hängen nur wenig vom Alter ab.
Habe vor Monaten mal aus dem Augenwinkel einen Bericht über das Buch im TV gesehen, wo es natürlich ganz aufgeregt und wichtigtuerisch bekochlöffelt wurde. Mir blieb schon nach diesem kurzen Eindruck ein fader Geschmack auf der Zunge zurück. Aber wieder zu wichtigeren Dingen … 🙂
Ich fand das Buch interessant bis verstörend, vor allem, weil es keine einfachen Antworten vorgibt. Gerade durch die sehr überzeichneten Aktionen und Reaktionen findet man dazu, sich abzugrenzen, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Für ein jugendliches Publikum auf jeden Fall ein guter Denkanstoß.
„Die Welt ist nichts, Gott ist nichts. Ich bin auch nichts. Das macht aber nichts.“
Max Stirner