Spätestens seit der Aufnahme von „Asterix“ in die erste Auflage von „Kindlers Literatur Lexikon“ (1965 ff., nur echt ohne Bindestrich!) gehören die Geschichten um den kleinen Gallier und seinen vollschlanken Freund auch in Deutschland in den Kanon der Weltliteratur. Dies ist unbestreitbar ein Verdienst René Goscinnys gewesen, der mit „Asterix“ einen der wenigen Comics geschaffen hat, der in allen Altersgruppen und Leserschichten Freunde gefunden hat. Wie sehr „Asterix“ von der Originalität und dem Witz Goscinnys gelebt hat, mussten alle seine Leser schmerzlich erfahren, als Albert Uderzo die Reihe nach Goscinnys überraschendem Tod 1977 allein fortsetzte. Es gab zwar immer noch den ein oder anderen Band, der an die früheren erinnerte, wirkliche Höhepunkte aber fehlten, und die Erfolgsgeschichte schien mit dem Band „Gallien in Gefahr“ (2005) ihren absoluten Tief- und Endpunkt erreicht zu haben.
Natürlich ist es nicht einfach, einen solchen jahrzehntelangen Erfolg einfach auf sich beruhen zu lassen und zu akzeptieren, dass gewisse Dinge ihre Zeit haben und nun einmal zu einem Ende kommen, insbesondere wenn der Verdacht besteht, man könne noch Geld aus dem verbliebenen Ruhm schlagen. Da die Ikone Asterix nun einmal existiert, warum sie nicht in die kommerzielle Unsterblichkeit überführen? Gesagt, getan: Einen neuen Zeichner angeworben, der es perfekt versteht, Uderzos Stil zu imitieren, und einen neuen Autor, denn was immer der schreibt, es kann nicht schlimmer sein als das, was Uderzo zuletzt abgeliefert hat. Und mit der richtigen Werbekampagne läuft das auch: Ein weiterer mittelmäßiger Asterix-Band, der sich am bewährten Muster der Reise-Abenteuer entlangwurschtelt, einige der alten ikonographischen Muster aufgreift (Asterix und Obelix schreien sich mehrfach schlecht motiviert an, Majestix kämpft mit Schild-Problemen, Obelix wird rot, wenn ihn eine hübsche, junge Frau umarmt), dafür andere schlicht ignoriert (keine Massenschlägerei mehr im Gallierdorf, stattdessen viel gänzlich beliebiger Tratsch und Klatsch, keine Wildschwein-Jagd (wahrscheinlich nicht mehr politisch korrekt), Idefix bleibt daheim (eine gänzlich unverständliche Entscheidung, die viel Potenzial zu rein illustrativem Humor verschenkt) usw usf.). Das alles ist brav, aber ohne wirklichen Elan, ohne Originalität und ohne Witz.
Nicht einer der schlechtesten Bände, aber auch keiner von den wirklich guten. Ob unter dem neuen Team noch einmal die Höhe von Abenteuern wie „Streit um Asterix“ oder „Asterix auf Korsika“ erreicht werden wird, bleibt abzuwarten. Der Tiefpunkt jedenfalls ist vorerst einmal überwunden. Dauerhaft überleben wird die Reihe nur, falls es ihr gelingt, sich neu zu erfinden; danach sieht es derzeit aber nicht aus.
Jean-Yves Ferri / Didier Conrad: Asterix bei den Pikten. Asterix Bd. 35. Berlin: Egmont Ehapa, 2013. Bedruckter Pappband, 48 Seiten (28,8 × 22,4 cm). 12,– €.
Ob man in zehn Jahren Obelix‘ korrekte Wandlung zum Vegetarier noch lesen wird? Bzw.: …lesen möchte?