Jemand hatte am Strand einen kleinen roten Eimer vergessen, und schon stand er bis zum Rand voll mit Regenwasser. Die Photographen bliesen Trübsal; die Gastwirte frohlockten.
Nabokovs zweiter Roman, auf Russisch im Jahr 1928 in Berlin erschienen und 1930 erstmals auf Deutsch bei Ullstein. Die Werkausgabe bei Rowohlt druckt allerdings eine Übersetzung der englischen Ausgabe von 1968, die von Nabokov, anlässlich der Übersetzung des Textes ins Englische durch seinen Sohn, sehr gründlich und umfangreich überarbeitet worden ist, was, wenn man den textvergleichenden Auszügen im Anhang glauben darf, dem Roman sehr gut getan hat.
»König Dame Bube« ist ein für Nabokov eher ungewöhnlicher, leichter Unterhaltungsroman, der die Dreiecksgeschichte des Ehepaars Martha und Kurt Dreyer und des Neffen von Kurt Dreyer, Franz Bubendorf, erzählt. Franz kommt, nach bewährtem Vorbild des 19. Jahrhunderts, als junger Mensch aus der Provinz nach Berlin, um im Kaufhaus seines Onkels zu arbeiten. Der familiäre Umgang im Haus der Dreyers macht die Gelegenheit, dass Martha eine Affäre mit ihm beginnt, die ihr als reicher und von ihrem Ehemann angewiderter Großbürgerin endlich zusteht, wie sie meint. Leider verliebt sie sich dabei in Franz und plant daher, gemeinsam mit ihm ihren Gatten umzubringen und zu beerben, um so ein unbeschwertes Glück leben zu können. Alles weitere ergibt sich mit erzählerischer Notwendigkeit aus dieser Grundkonstellation.
Bis auf das schon recht nabokovsche Ende bleibt alles im Rahmen des für einen humoristischen, leicht parodistischen Roman Erwartbaren. Wenn ich meinem Gefühl trauen darf, ohne die frühe Fassung des Textes zu kennen, so hat Nabokov sich bereits mit diesem Roman im Wesentlichen freigeschrieben und seinem ihm später so ganz eigenen Ton angenähert, der ihn zu dem außergewöhnlichen Autor macht, der er war.
Alles in allem eine sehr angenehme, nicht sehr anspruchsvolle Lektüre.
Vladimir Nabokov: König Dame Bube. Aus dem Englischen von Hanswilhelm Haefs. In: Gesammelte Werke I. Frühe Romane 1. Hg. v. Dieter E. Zimmer. Reinbek: Rowohlt, 21999. Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen, 407 (von 591) Seiten. 27,– €.
Aus welcher Quelle speist sich die Information, daß Hanswilhelm Haefs ein „Kenner der französischen Romane des 19.Jahrhunderts“ ist? Mir ist er nur als relativ umstrittener Übersetzer aus dem Englischen bekannt; man erinnere sich an den Skandal um „Lemprieres Wörterbuch“; seine Chesterton-Übersetzungen, so verdienstvoll die erste deutsche Gesamtausgabe der Father-Brown-Geschichten (bei Haffmans, 1991-1995) war, so ungenießbar ist das Deutsch dieser Übersetzungen, weil zu eng am Original; da hole ich mir lieber die alten Pater-Brown-Taschenbücher aus den 50er/60er Jahren hervor. Die Namen der Übersetzer standen damals noch nicht auf dem Titelblatt, sondern im Impressum: Clarisse Meitner, Rudolf Nutt, Heinrich Fischer, Kamilla Demmer; wer auch immer das war. Vielleicht hatten die auch einfach weniger Skrupel und ihr Ideal war die Lesbarkeit.
Ähnlich ergeht es mir mit „König Dame Bube“. Ich komme über den ersten Satz nie hinaus: „Der riesige schwarze Uhrzeiger steht noch still, wird aber gleich seine Einmal-pro-Minute-Geste vollziehen; und dieser federnde Ruck wird eine ganze Welt in Bewegung setzen.“ Bei Siegfried von Vegesack, der aus dem Russischen übersetzt hat, liest sich das so: „Gleich wird der ungeheure schwarze Zeiger der Uhr, erstarrt vor seinem Minutenschritt, vorrücken, und sein fester Stoß wird die ganze Welt in Bewegung bringen;…“ Minutenschritt erscheint mir einfach eleganter als Einmal-pro-Minute-Geste. Da ich aber kein Russisch kann und nicht gut genug Englisch, um die Übersetzungen wirklich beurteilen zu können, kann ich nur von dem ausgehen, was da steht. Auch basiert ja die Übersetzung von Haefs auf einer vollständigen Neuformulierung des Romans durch den Autor, was im Nachwort ausführlich dokumentiert wird.
Autsch, das tut weh! Ich werde eindeutig alt: Ich habe HwH mit einem ganz anderen Übersetzer verwechselt; tertium comparationis in dem Fall ist die Tatsache, dass beide Übersetzer schriftstellernde Söhne haben. Ich nehme also mit großem Bedauern den Satz aus der Besprechung heraus.
Dass der Übersetzung die überarbeitete englische Fassung zugrunde liegt, hatte ich ja erwähnt.