Wo immer auch der Interpret in seinen Text eindringt, findet er eine unabschließbare Fülle von Desideraten, denen er zu genügen hätte, ohne daß einem zu genügen wäre, ohne daß das andere darunter litte; er stößt auf die Inkompatibilität dessen, was die Werke von sich wollen und dann von ihm; die Kompromisse aber, die resultieren, schaden der Sache durch die Indifferenz des Unentschiedenen. Voll adäquate Interpretation ist schimärisch. Das nicht zuletzt verleiht dem idealen Lesen den Vorrang vorm Spielen: Lesen, darin vergleichbar dem berüchtigten allgemeinen Dreieck Lockes, duldet als sinnlich-unsinnliche Anschauung etwas wie die Koexistenz des Kontradiktorischen.
Theodor W. Adorno