Sinclair Lewis wurde 1930 als erstem US-Amerikaner der Nobelpreis für Literatur verliehen. Besondere Erwähnung fanden in der Laudatio unter anderen sein Roman Main Street (1920) und sein Bestseller Babbitt (1922), der gerade bei Manesse in einer neuen Übersetzung von Bernhard Robben vorgelegt wurde. Nun war Sinclair Lewis schon lange ein Desiderat meiner Lesegeschichte, so dass ich die Gelegenheit genutzt habe, und ich wurde nicht enttäuscht: Babbitt ist eine witzige Satire auf den us-amerikanischen Mittelstand der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und ohne Zweifel eines der wichtigen literarischen Vorbilder für die Bascombe-Romane Richard Fords, der allerdings nicht einmal halb so viel wagt wie Sinclair.
Da der Übersetzer im Nachwort anmerkt, er habe den Text sprachlich auf das Deutsche des 21. Jahrhunderts heruntergebrochen (die von Robben verwendete Redeweise vom „möglichst zeitlos […] halten“ der Sprache ist natürlich kompletter Unfug), habe ich mir aus den USA antiquarisch einen Band der Library of America bestellt, um den Grad des Gefälles beurteilen zu können. Der Band war mit 9 € verdächtig billig und erwies sich bei seiner Ankunft als ein Bibliotheksexemplar.
Wie man dem (von mir von einer weiteren Kunststoff-Schicht befreiten) Umschlag des Buches bereits ansieht, hat der Band einiges mitgemacht. Er entstammt – so kann man einem Exlibris auf dem vorderen Vorsatz entnehmen – einer 60 Bände der Library of America umfassenden Schenkung der Andrew W. Mellon Foundation sowie des GFWC Senior Woman’s Club of Muhlenberg (Vorsicht: Link zu Facebook!) an die Muhlenberg Community Library. Die Schenkung muss Ende 1993 oder Anfang 1994 geschehen sein, da das Buch im Mai 1994 in den Bestand der Bibliothek eingearbeitet worden ist, wie es die Ausleihkarte heute noch dokumentiert:
Was diese Karte eben leider auch dokumentiert, ist, dass sich in Muhlenberg (das heute ironischerweise ein Stadtteil von Reading, Pa. ist!) niemand, aber auch gleich gar niemand für die beiden Romane Sinclair Lewis’ interessiert hat. Und so hat sich – leider lässt der Band keinen Schluss darauf zu, wann dies geschehen ist – eine Bibliothekarin in Muhlenberg wahrscheinlich schweren Herzens entschlossen, Platz im Regal zu schaffen und das Geschenk an einen Antiquar zu verkaufen. Ob es direkt oder wie es sonst bei einem Internethändler in Dallas gelandet ist, der es mir dann für 10,60 $ nach Deutschland geschickt hat, ist ebenfalls nicht zu eruieren, jedenfalls nicht von hier aus. Ich will es nun hüten und pflegen, solange ich kann.
Mehr über Babbitt und Sinclair Lewis in Bälde auf dieser Seite.
Bewunderter Bonaventura,
woher wollen Sie wissen, dass eine Bibliothekarin diesen Band „SCHWEREN HERZENS“ aussortiert habe? – Ich kaufte über Jahrzehnte hin wunderbare Bücher in einer öffentlichen Bibliothek für Pfennig-, dann Cent-Beträge, weil diese wunderschönen Bücher von dieser Bücherei wegen Nicht-gelesen-Werdens aussortiert und in den „Ramsch“ gegeben worden waren. Die Bibliothekarinnen machten auf mich immer einen glücklichen Eindruck, keinen leidenden. „Platz für NEUES!“ war die Devise.
Werter Veit Feger,
woher wollen Sie wissen, dass die aufgesetzte Fröhlichkeit der Bibliothekarinnen angesichts der Aussicht auf neue Bücher zum Einarbeiten nicht nur eine oberflächliche und auf die Öffentlichkeit gezielte Maskerade der tiefen Traurigkeit darüber war, dass wieder ein „gutes Buch“ mehr gegen einen populären Schlager eingetauscht werden musste? Ich kenne diese Damen persönlich; ich weiß, was ihr Herz bricht. 😉