Wolfgang Will: Athen oder Sparta

Bei Chaironeia besiegte im Jahre 338 Philipp II. ein Bündnis griechischer Staaten mit Athen und Theben an der Spitze (Sparta fehlte). Die Hand- und Schulbücher reden von einem epochalen Ereignis, vom Ende einer Ära und der griechischen Freiheit. Die Freiheit, welche die Griechen zuallererst verloren, war freilich nur die, einander sinnlos totzuschlagen.

Dieser Band schließt insofern unmittelbar an Wills vorhergehendes Buch über den Beginn der Geschichtsschreibung an, als es in der Hauptsache dem Bericht des Thukydides folgt, um den Peloponnesischen Krieg von seinen Ursachen bis zu seinen Nachwirkungen darzustellen. Der enge Anschluss an das Werk des Thukydides ergibt sich von selbst, da dessen Bücher für einen bedeutenden Teil der historischen Ereignisse die einzige Quelle sind.

Beim Peloponnesischen Krieg (431–404) handelt es sich nicht nur um den Kampf zweier Hegemonialmächte um die Vorherrschaft in Griechenland, sondern zugleich um die Frage, ob die athenische Demokratie als politisches System erhalten bleiben oder dauerhaft durch eine oligarchische Verfassung ersetzt werden wird. Interessanterweise weist es sich, dass das athenische System der Volksherrschaft sich immer wieder gegen die zum Teil sehr radikalen Versuche, sie zu unterdrücken und ihre Anhänger zu töten oder zu verbannen, durchsetzt und die Oligarchie, für deren Etablierung Sparta neben seinen hegemonialen Ansprüchen kämpft, immer wieder beseitigen kann. Am Ende zeigt die Demokratie sich, wenn sie nicht durch andauernde Kriegführung wirtschaftlich geschwächt und von nationaler Hysterie überlagert ist, als das stabilere und einen allgemeinen Wohlstand garantierende System.

Will bewährt sich einmal mehr als exzellenter Erzähler historischer Ereignisse und ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte. Dabei ist seine Darstellung keine unkritische Nacherzählung des Berichts von Thukydides, sondern Will weiß seine Vorlage nicht nur im Hinblick auf den Parteistandpunkt ihres Autors einzuschätzen, sondern erlaubt sich überhaupt eine reflektierte Distanz zu den Geschehnissen und Akteuren. Hinzukommt eine durchgehende Rückkopplung mit anderen historischen Quellen, insbesondere den Theaterstücken der Zeit. Bei der Betrachtung der Nachwirkungen des Krieges gibt es zudem ein beeindruckendes Kapitel zur politischen Einordnung des Prozesses gegen Sokrates, das zu den Schmuckstücken des Buches gehört.

Wie schon der Vorgängerband ein Buch, das einige Ansprüche an die Leser stellt. Für Geschichtsbeflissene und insbesondere für an der Antike Interessierte unbedingt zu empfehlen.

Wolfgang Will: Athen oder Sparta. Eine Geschichte des Peloponnesischen Krieges. München: C. H. Beck, 2019. Pappband, 352 Seiten. 26,95 €.

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