Immer noch in den Nachwehen der Lektüre von König Richard II. Bei der Sekundärlektüre bin ich unter anderem auf die frühen Aufsätze August Wilhelm Schlegels gestoßen, die seinen ersten Übersetzungen Shakespeares vorausgehen: »Etwas über William Shakespeare bei Gelegenheit Wilhelm Meisters« und »Über Shakespeares Romeo und Julie«, beide zuerst in Schillers »Horen« (1796 und 1797) erschienen. Begleitet wurden die Aufsätze von ersten Proben der Schlegelschen Übersetzung aus »Romeo und Julia« und »Der Sturm«. Schlegel war damals für kurze Zeit ein Mitarbeiter an Schillers Zeitschrift, geriet allerdings mehr und mehr in eine unangenehme Situation, da sowohl seine Verlobte und baldige Ehefrau als auch sein Bruder eine immer öffentlichere Opposition gegen Schiller in Szene setzten. Schon im Mai 1797 endet die kurze Zusammenarbeit.
Die beiden Aufsätze enthalten so etwas wie eine Programmatik des Schlegelschen Übersetzungsprojektes, das ursprünglich den gesamten Bestand an Shakespeares Stücken umfassen sollte. »Etwas über William Shakespeare bei Gelegenheit Wilhelm Meisters« nimmt, wie der Titel schon andeutet, seinen Ausgang bei den Äußerungen Wilhelm Meisters über »Hamlet«, besonders im 13., 14. und 15. Kapitel der »Lehrjahre«, bleibt aber nicht dort stehen, sondern beschäftigt sich im Weiteren sehr detailliert mit formalen Aspekten, insbesondere der Dialogführung und Versifikation bei Shakespeare.
»Über Shakespeares Romeo und Julie« ist eine Verteidigung des Stücks an mehreren Fronten: Shakespeares inhaltlicher Rückgriff auf auf das Gedicht Brookes, dem es nicht nur die Handlung, sondern auch mannigfache Details verdankt, wird dadurch gerechtfertigt, dass gerade hierdurch sich Shakespeares dramatisches Genie am lautersten beweisen könne – ein gänzlich belangloser Einwand, da zu Shakespeares Zeit natürlich niemand, am wenigstens Shakespeare selbst, die Not hatte, die Originalität seiner Stücke beweisen zu müssen. Anschließend verteidigt Schlegel das Stück gegen verschiedene Einwände und Bearbeitungen der englischen Shakespeare-Kritik, die dem deutschen Publikum bis dahin wahrscheinlich durchweg fremd und deshalb auch unerheblich waren. Spannend wird dieser Aufsatz, der recht deutlich das intellektuelle Rüstzeug aufscheinen lässt, mit dem sich Schlegel an die Übersetzung begeben hat, durch die von ihm entwickelte romantische Dramaturgie des Stückes, die die Figuren auch in den überspanntesten Momenten als natürlich und wahrhaftig verstehen will.
Leider sind die meisten Schriften August Wilhelm Schlegels im Buchhandel zur Zeit nur in einer hochpreisigen Reprintausgabe zugänglich:
Schlegel, August W. von: Sämmtliche Werke
Olms, 1971 ff. ISBN 3-487-03354-2
Leinen – CLVII, 6196 Seiten – 714,79 Eur[D]
Die hier besprochenen Aufsätze sind im Band 7 dieser Ausgabe zu finden.