Der Schachspieler von Moritz Retzsch.Wir geben hier eine sehr gelungene Copie des berühmten Blattes des geistreichen Künstlers Retzsch in Dresden. "Satan, der mit einem Jüngling um seine Seele im Schach spielt", dies ist der Gegenstand dieser Zeichnung, und man muß gestehen, daß dies ein Stoff ist, worin der eigenthümliche Genius des Künstlers reiche Nahrung fand. Zur Linken des Schachbrets [!] sitzt Satanas, der gefallene Engel, der, wie es in der heiligen Schrift heißt, ein Mörder war von Anbeginn; sein lauernder, tückischer Blick haftet auf dem jugendlichen Gegner und macht uns für dessen Heil zittern. Ein weiter, faltrenreicher Mantel wallt um Satanas Gestalt, der mit der einen Hand das Kinn stützt, während die andere eine Figur des Schachspiels, den Frieden vorstellend, von dem Brett weggestohlen hat. Der junge Mann, im tiefen Nachdenken, stütz sein Haupt in seine Rechte, als ob er sein ewiges Verderben im Voraus ahne und Alles aufbieten müsse, es abzuwenden. Zwischen Beiden und hinter dem Spielbrett steht der gute Genius des Menschen mit kummervollem Blicke, so, als ob auch ihm für die Seligkeit des Jünglings bange wäre. Die Stellung dieses Engels ist wahrhaft schön und ausdrucksvoll, seine Hände sind ineinander geschlossen, wie zum Gebet, seine Schwingen halb entfaltet, so, als müsse er bald entweichen; sein Haupt ist anmutig nach der Linken geneigt.
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Werfen wir nun einen Blick auf die Schachfiguren. Auf der Seite des bösen Feindes trägt der König dessen eigne Gestalt. Die Königin ist die sinnliche Lust, die vor allen übrigen Figuren voransteht. Die Offiziere des Satans sind die Trägheit, in der Gestalt eines dicken Schweins; der Stolz, geformt wie ein Pfau; die Falschheit mit der einen Hand auf der Brust, mit der anderen einen gezückten Dolch hinter sich streckend; der Unglaube, der das Kreuz mit Füßen tritt; die Angst u. s. w. Die Bauern sind Zweifel. Und wehe dem armen Jüngling! von allen Figuren seines höllischen Gegners hat er nur diese, nur die Angst, gewonnen, und einen Zweifel. Satan dagegen hat schon der Cherubine viele erbeutet, die des Jünglings Bauern sind, dazu auch die Demuth, die Liebe, die Unschuld. Nur die Religion, die Wahrheit und die Hoffnung sind dem beklagenswerthen Menschen noch geblieben. Verliert er auch diese, dann ist Alles verloren, und es ist wahrscheinlich, daß er auch sei und mit ihnen seine arme Seele den höllischen Mächten wird überliefern müssen! Welch ein schöner Gedanke, welch ein tiefer sittlicher Inhalt in dieser ausgezeichneten Allegorie wohnt, darüber brauchen wir kein Wort zu sagen, da diese innige Seele des ebenso künstlerisch gedachten als ausgeführten Bildes schon von selbst in ihrer ganzen Lauterkeit uns aus demselben entgegentritt. Das Pfennig-Magazin für Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. 5 (1837), S. 356-358. [ = Nr. 241 vom 11. November 1837] |