Merkwürdiger Agenten-Roman um eine Gruppe von etwa einem halben Dutzend Figuren, deren Geschichten mehr oder weniger eng miteinander verbunden sind. Heimliches Zentrum des Buches ist Colonel Francis Xavier Sands, ein Kriegsheld des Zweiten Weltkriegs, der inzwischen für die CIA arbeitet. Was genau er tut, bleibt eher schleierhaft; überhaupt scheint die gesamte Agententätigkeit des Buches unter dem Motto zu stehen: »Unsere Tätigkeit ist so geheim, dass nicht einmal wir wissen, was wir eigentlich tun.« Jedenfalls scheitert das einzige konkrete Projekt des Colonels, die Anwerbung eines Doppelagenten in Vietnam, mustergültig am Widerstand einer anderen US-Geheimdienst-Fraktion. Das dem Buch den Titel gebende Projekt »Tree of Smoke«, womit letzten Endes nichts anderes gemeint ist als die Feuer- bzw. Rauchsäule, die den Israeliten bei ihrem Zug durch die Wüste vorausgezogen sein soll, bleibt jedenfalls vollständig nebulös, ja scheint zeitweise nichts anderes zu sein als ein Hoax, mit dem sich Colonel Sands Geld und Einfluss verschafft.
Das Buch handelt im Wesentlichen in den Jahren 1963 bis 1970 auf den Philippinen und in Vietnam; beschlossen wird es mit einem Sprung in das Jahr 1983, womit der Autor versucht, wenigstens einige seiner Erzählstränge abzuschließen. Das Schicksal des Colonels bleibt auch am Ende des Buches ungeklärt: vielleicht ist er in Vietnam ermordet worden, vielleicht hat er seinen Tod auch nur vorgetäuscht und lebt als Waffenschieber in Thailand. Sein Enkel William »Skip« Sands jedenfalls wird im benachbarten Malaysia als Waffenhändler verurteilt und hingerichtet.
Das Buch hat einen relativ simplen Plot und erscheint ausschließlich aufgrund der einander abwechselnden Erzählstränge komplex. Nachdem man sich einmal daran gewöhnt hat, wird das Buch bald ein wenig langweilig, da sich der Autor über Seiten hinweg weigert, seine Geschichte voranzubringen. Man kann sich dem Eindruck kaum entziehen, dass das Buch für das, was es zu erzählen hat, deutlich zu lang geraten ist. Es kommt hinzu, dass der Autor konsequent jeden Versuch unterlässt, auch nur eine seiner Hauptfiguren mit einer einigermaßen anspruchsvollen Psyche auszustatten. Ersatzweise beschäftigt sich Skip mit der Hinterlassenschaft eines französischen Arztes und stochert in der Anthropologie Georges Batailles herum. Bei anderen Figuren muss statt einer psychischen Ausstattung die Religion oder der Anti-Kommunismus herhalten. Auch was die Geschichte des Vietnam-Krieges oder die Kultur Vietnams angeht, hat das Buch nur wenig anzubieten.
Angesichts eines solchen Befundes bleibt es mir unverständlich, warum ein solcher Hype um das Buch gemacht wurde und warum es den National Book Award 2007 gewonnen hat. Den auf dem Umschlag zitierten Vergleich mit Joseph Hellers Catch-22 hält das Buch jedenfalls nicht aus.
Denis Johnson: Tree of Smoke. London: Picador, 2008. Paperback, 616 Seiten. Ca. 10,– €.