Geschichte von der Antike über das Mittelalter bis in die Moderne ohne das Neue Rom zu schreiben oder lehren zu wollen, ist […] ein aussichtsloses Unterfangen.
Es ist ein höchst seltener Fall, dass sich eine Sachbuchreihe nach ihrem vermeintlichen Abschluss nicht nur noch einmal zu Wort meldet, sondern sich zudem auch noch ins Wort fällt, wenn man so sagen darf. Der sechste Band der Beck’schen Geschichte der Antike hatte die Antike schon vergleichsweise spät mit dem Aufstieg des Islam enden lassen. Sein Nachfolger Preiser-Kapeller liefert nun einen siebten Band der Hexalogie und verlängert mit ihm die Geschichte der Antike mit einigem Recht bis ins Jahr 1453, also bis zum endgültigen Fall von Konstantinopel an die Osmanen. Er weist darauf hin, dass im Selbstverständnis, aber durchaus auch im Verständnis des sogenannten Westens Konstantinopel noch für sehr lange Zeit als zwar beschränkte, aber dennoch ungebrochene Fortsetzung des römischen Kaisertums und seines Reiches empfunden wurde.
Es ist verständlich, dass eine Darstellung von über 1.000 Jahren Historie auf etwas über 300 Seiten in weiten Teilen summarisch sein muss. Besonders die letzten 200 Jahre der Geschichte des „Neuen Rom“, wie der Autor das Byzantinische Reich bevorzugt nennt, sind eine dichte Aneinanderreihung von Haupt- und Staatsaktionen, auch wenn sich Preise-Kapeller redlich bemüht die sozialen und ökonomischen Bedingungen der Menschen unter den römischen Kaisern nicht ganz zu vernachlässigen. Die Darstellung macht viele Verflechtungen zwischen Macht- und Religionspolitik deutlich, wie etwa in der Spätzeit des oströmischen Reiches die Kaiser immer erneut mit dem Pfund einer Kirchenvereinigung wuchern, um Unterstützung aus dem Westen Europas zu erlangen, sich dabei aber notwendig gegen ihre eigene Kirche und die Masse der gläubigen Untertanen wenden müssen. Auch die sowohl auf byzantinischer als auch auf slawischer, mongolischer und islamischer Seite immer erneute Selbstschwächung durch innere Konflikte beim Herrscherwechsel sind eine Konstante der Darstellung, die deutlich macht, wie wenig das Konzept des Einzelherrschers tatsächlich in der Lage ist, eine zuverlässige, stabile und erfolgreiche Gesellschaftsordnung über Generationen hinweg zu garantieren. Nicht zuletzt folgt Preiser-Kapeller der Tugend der Gesamtreihe, die grundlegenden Quellen seiner Geschichtsschreibung nicht zur zu benennen, sondern auch immer kritisch auf deren eigene Agenda hin zu befragen.
Man würde sich 150 oder sogar 200 Seiten mehr wünschen, nicht nur um die soziale und intellektuelle Entwicklung des Neuen Rom detaillierter zu verstehen, sondern auch um mehr über die näher und weiter entfernten Feinde des Reiches zu erfahren. So wird etwa die Rolle der Mongolen und der Entwicklung ihres Reiches immer wieder thematisiert, doch bleibt das Bild dieses Volkes und der inneren Struktur seiner Herrschaft leider zwangsläufig schemenhaft. Doch solche Nachforderungen lassen sich natürlich immer und bei jedem Werk gleich welchen Umfangs formulieren.
Insgesamt ein sehr würdiger Abschluss dieser Reihe, die in ihrer Gesamtheit nur einmal mehr empfohlen werden kann.
Johannes Preiser-Kapeller: Byzanz. Das Neue Rom und die Welt des Mittelalters. C. H. Beck Paperback 6535. München: Beck, 2023. Klappenbroschur, 352 Seiten. 22,– €.