Derzeit einzige umfangreiche Biografie über Joseph Roth. Ihr Autor, Wilhelm von Sternburg, ist ein Routinier, was man auch diesem Buch anmerkt. Das Buch ist recht breit angelegt, was wahrscheinlich auf Leser mit geringem historischen Vorwissen abzielt. So sind die Ausführungen über Roths jüdisch-galizischen Hintergrund sicherlich gut gemeint und für einen Großteil der Leser nützlich. Ob dies allerdings auch für den seitenlangen Exkurs über Schriftsteller, vor allem US-amerikanische, als Alkoholiker zutrifft, wage ich zu bezweifeln. Solche Tendenzen machen die Lektüre ein wenig langatmig und mühsam.
Die erzählerischen Werke Roths werden nahezu alle inhaltlich referiert und zum bedeutenden Teil kurz und sicher in den Zeithorizont eingeordnet. Wirkliche Interpretationen versucht von Sternburg nicht zu liefern; einmal vergleicht er Radetzkymarsch mit Budenbrooks, ohne dabei über den bekannten Jean Paulschen Vergleich der Tanz- und Fechtkunst hinauszukommen.
Die Biografie wird wohl so gut dargestellt, wie es die Datenlage derzeit erlaubt. Der Leser bekommt einen soliden Eindruck vom chaotischen und selbstzerstörerischen Pathos des Schriftstellers, der sich – besonders in den letzten Lebensjahren – einfach nicht mehr zu helfen wusste: Erzwungenes Exil, die private Verpflichtung für die im Sanatorium befindliche Ehefrau einerseits und die Lebenspartnerin mit ihren Kindern andererseits, der sich zunehmend verschlimmernde Alkoholismus und die aus all dem erwachsende andauernde Geldnot – es ist alles in allem erstaunlich, dass Roth unter diesen Bedingungen überhaupt noch in der Lage war Literatur und dann auch noch auf einem solchen Niveau zu produzieren. Eine bemerkenswerte Mischung von Haltlosigkeit und Disziplin beherrschte dieses Leben.
Wilhelm von Sternburg: Joseph Roth. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2009. Pappband, 559 Seiten. 22,95 €.