Kurze Einführung in den Ulysses von James Joyce, deren Hauptintention in einer Hilfestellung für Erstleser liegt. Dafür ist das Büchlein gut geeignet, wenn es mir auch zu wenig systematisch ist. Auch das große Gewicht, das Zumbach auf die autobiografische Unterfütterung des Textes legt, scheint mir für eine solche Einführung verfehlt. Aber das sind Ansätze, die sich aus der jeweils individuellen Begegnung mit dem Ulysses ergeben; da muss am Ende jeder Leser seinen eigenen Gang gehen.
Der Hauptteil des Buches erzählt die Handlung des Ulysses kapitelweise nach. Das ist für Einsteiger wahrscheinlich die wichtigste Orientierungshilfe. Auch die Anspielungen auf die Episoden der Odyssee und die Referenz der einzelnen Kapitel auf Körperteile und Organe erläutert Zumbach. Die Nacherzählungen sind hier und da etwas lückenhaft, an anderer Stelle, so etwa beim Circe-Kapitel, muss man der Leistung des Nacherzählers aber durchaus Respekt zollen.
Den einzigen wirklichen Mangel würde ich darin sehen, dass Zumbach ein Grundprinzip der Textgestaltung nicht deutlich genug herausarbeitet: Im Ulysses wird nicht die Form an den Inhalt angepasst, sondern die Form erzeugt den Inhalt. So ist es zum Beispiel nicht so, dass Bloom in Nausikaa nach Sandymount versetzt wird, weil die Familie Dignam dort wohnt, sondern die Familie Dignam wohnt dort, damit das nachfolgende Kapitel, Die Rinder des Sonnengottes, mit der Formel »Deshil Holles Eamus« beginnen kann. »Deshil« meint hier nämlich soviel wie »der Sonne entgegen«, englisch »sunward«, was zugleich eine Anspielung darauf ist, dass sich Leopold Bloom nun seinem geistigen Sohn Stephen Dedalus nähert. Daher muss Leopold Bloom nach Westen gehen, der untergehend Sonne entgegen, und deshalb verfrachtet ihn Joyce an den Strand von Sandymount. Es ist im Ulysses die Sprache, die die Fabel hervorbringt, nicht umgekehrt.
Unverständlich ist, warum das Bändchen nicht lieferbar ist, da offenbar eine erhebliche Nachfrage besteht. Bei Amazon werden derzeit für gebrauchte Exemplare Fantasiepreise von knapp 50,– € bis über 80,– € verlangt. Es sei an dieser Stelle nochmals beklagt, dass Suhrkamp Hugh Kenners Buch über den Ulysses – bei Amazon schon für 2,90 € zu bekommen – nicht mehr druckt, das meiner unmaßgeblichen Meinung nach immer noch die beste Einführung ins Buch liefert.
Frank Zumbach: Joyce’ Ulysses. Serie Piper 3138. München: Piper, 32004. 144 Seiten. 7,90 €.