Larry Niven / Jerry Pournelle: Der Splitter im Auge Gottes

Die ganze Befehlsgeberkaste ist zu Großen Narren geworden, nach meiner Meinung. Sie glauben, sie könnten den Lauf der Zyklen beenden, wenn sie in den Weltraum auswandern und andere Sonnensysteme besiedeln.

Ein weiterer Fund aus der zweiten Reihe: Ein Roman um die erste Begegnung der Menschheit mit einer außerirdischen Intelligenz zu Anfang des 4. Jahrtausends u. Z. Am Rande des Zweiten Galaktischen Imperiums taucht ein Raumschiff mit Lichtsegel auf, das offensichtlich vor langer Zeit von einem Sonnensystem gestartet wurde, das den Namen Der Splitter im Auge Gottes trägt. Aus ihm wird ein asymmetrisch gebautes Alien tot geborgen. Der Kaiser entschließt sich, zwei Kriegsschiffe mithilfe des von der Menschheit seit mehr als 1.000 Jahren benutzten Sprungantriebs zu diesem System zu senden. Dort findet man eine offensichtlich uralte Zivilisation vor, der es aber nie gelungen ist, ihr Sonnensystem zu verlassen, was in der Hauptsache daran liegt, dass das andere Ende des Sprungpunktes in ihrem System innerhalb einer Sonne endet und so alle Schiffe, die die Aliens auf diesen Weg gebracht haben, zerstört worden sind.

Die Menschen stoßen auf eine hoch technisierte Zivilisation, deren Träger sich in mehreren Unterarten entwickelt haben. Es gibt Meister, Vermittler, Techniker, Landarbeiter, Boten, Bastler und – sehr lange vor den Menschen verborgen – auch eine Kaste von Kriegern. Das eigentliche Problem dieser Zivilisation ist, dass die Aliens einen hormonellen Zyklus durchlaufen, indem Geschlechtswechsel und Schwangerschaften notwendig auf­ein­an­der­fol­gen und der nur auf Kosten des individuellen Lebens unterbrochen werden kann. Es herrscht daher ein extremer Bevölkerungsdruck, der regelmäßig zu Kriegen und dem Zusammenbruch der Zivilisation führt. Der einzige Ausweg scheint zu sein, andere Planeten zu besiedeln, also das Splitter-Sonnensystem zu verlassen, was das Ziel der Aliens in den dem ersten Kontakt folgenden Verhandlungen ist. Anbieten können sie im Gegenzug eine Technologie, die in Teilen der der Menschheit weit überlegen ist. Die Autoren haben sich für den daraus entwickelten Konflikt ein überraschendes, wenn auch nicht sehr wahrscheinliches Ende ausgedacht.

Es handelt sich um einen ganz unterhaltsam geschriebenen Aben­teuer­roman, wenn auch besonders das letzte Viertel Längen aufweist, die allerdings auch dazu benutzt werden zu zeigen, dass sich die menschliche und außerirdische Zivilisation so sehr nicht unterscheiden. Die au­ßer­ir­di­sche Zivilisation ist sehr hübsch erfunden und – obwohl immer wieder das Gegenteil behauptet wird – letztlich durchaus verständlich konstruiert. Was mich bei der Wiederlektüre am meisten erstaunt hat, ist, dass dies offensichtlich einmal einer meiner Lieblingsromane war (das vorliegende Exemplar stammt aus dem Jahr 1983, ich habe das Buch aber ganz sicher zuerst in den 70-er Jahren gelesen), während ich es heute eher mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen habe: Ganz nett erfunden, aber zu lang und deutlich zu sehr auf ein eher konventionelles Lesepublikum hin geschrieben.

Larry Niven / Jerry Pournelle: Der Splitter im Auge Gottes. Übersetzt von Yoma Cap. Heyne SF 3531. München: Heyne, 61983. Broschur, 624 Seiten. Derzeit nur antiquarisch lieferbar.

David Gerrold / Larry Niven: Die fliegenden Zauberer

Purpur stand außerhalb aller menschlichen Erfahrung. Das Unglück war geschehen, weil wir ebenso falsche Vorstellungen über ihn hatten wie er über uns.

Bei der Suche nach einer der nächsten Lektüren bin ich in einer zweiten Reihe auf lang vergessene Science-Fiction-Bücher gestoßen, die ich offensichtlich beim letzten Umzug vor über 20 Jahren nicht entsorgen wollte, die aber auch nicht in den Vorzug kamen, in der ersten Reihe des Regals aufgestellt zu werden. Darunter finden sich auch vier Romane von David Gerrold, der – als ich so etwas noch hatte – einer meiner liebsten Science-Fiction-Autoren gewesen ist. Gerrolds Bücher, oft mit Co-Autoren verfasst, zeichnen sich fast immer durch ungewöhnliche Themen oder zumindest ungewöhnliche Perspektiven auf klassische Themen der Science-Fiction aus; bei dem hier besprochenen „Die fliegenden Zauberer“ kommt hinzu, dass es sich um einen der seltenen humoristischen Romane des Genres handelt.

Erzählt wird aus der Ich-Perspektive eines Bewohners eines wahrscheinlich weit von der Erde entfernten Planeten. Der Planet befindet sich in einem Doppelsternsystem, das wiederum von einer dichten Wolke kosmischen Staubs umgeben ist, so dass die Bewohner des Planeten über ihr Planetensystem hinaus nichts vom Universum wissen. Erzählanlass ist die Landung einer Raumfähre, die einen einzelnen Menschen auf den Planeten bringt, vorgeblich einen Anthropologen, der sich allerdings als das dümmstmögliche Exemplar seiner Zunft erweist. Purpur, wie die Eingeborenen den Menschen aufgrund eines Übersetzungsfehlers von dessen Universalübersetzer nennen (der Witz wird auf den letzten 50 Seiten dann noch erklärt), wird aufgrund seiner technischen Überlegenheit sogleich der Zunft der Zauberer zugeordnet, was ihn dummerweise in direkte Konkurrenz mit dem lokalen Zauberer Shoogar bringt. Dieser sieht sich durch die Tradition zu einem Zauber-Duell genötigt, in dessen Verlauf er die Raumfähre Purpurs zerstört; Purpur verschwindet in der stark beschädigten Fähre Richtung Süden.

Als unangenehmer Nebeneffekt des Duells wird auch das Dorf der Einheimischen und dessen Umgebung weitgehend unbewohnbar, und die Dorfbewohner ziehen ebenfalls nach Süden, vor dem in dieser Jahreszeit stetig steigenden Meer fliehend. Nach langer Zeit treffen sie auf ein Dorf und – was für ein Zufall! – Purpur, der mit seiner abstürzenden Fähre den Dorf-Zauberer getötet und seine Stelle eingenommen hat. Purpur spricht inzwischen die lokale Sprache einigermaßen fließend; sein Hauptproblem besteht darin, dass er sich zu weit südlich befindet, um sein Mutterschiff zur Landung zu veranlassen (offenbar befindet er sich komplett allein auf einer interstellaren Forschungsreise!). Da sich nach Norden hin inzwischen das Meer ausgebreitet hat, kommt er zu der Einsicht, dass er ein Fluggerät bauen muss, um weit genug in den Norden zurückkehren zu können. (Alle diese Voraussetzungen sind etwas dünn, denn die Einheimischen verfügen durchaus schon über Boote; diese entsprechend weiterzuentwickeln, wäre sicherlich einfacher als das, was Purpur nun unternimmt.) Die fortgeschrittenste Maschine, die Purpur vorfindet, ist das Fahrrad. So beginnt er zusammen mit den beiden Fahrradbauern Wilville und Orbur (die Wortspiele sind Absicht!) eine steuerbares, durch Wasserstoff-Ballons in der Luft gehaltenes Luftschiff zu entwickeln, für dessen Herstellung aber die gesamte lokale Kultur industrialisiert werden muss. Dies ist das eigentliche Thema des Romans.

Der genaue Ablauf und die zu überwindenden Schwierigkeiten müssen hier nicht geschildert werden. Der Roman arbeitet nach dem nur zu verbreiteten Muster „was wahrscheinlich passiert, wenn etwas Unwahrscheinliches passiert“, führt sein Thema aber leicht und angenehm durch und ist auch nach über 50 Jahren immer noch eine witzige und intelligente Lektüre für ein Wochenende. Das englische Original ist lieferbar; die deutsche Übersetzung derzeit bloß als eBook bzw. antiquarisch. Für alle, die Gerrold nicht oder nur als Script-Autor des Star-Trek-Univers kennen, auf jeden Fall ein Tipp.

David Gerrold & Larry Niven: Die fliegenden Zauberer. Übersetzt von Yoma Cap. Heyne SF 3489. München: Heyne, 1976. Broschur, 352 Seiten. Derzeit nur als eBook für 7,99 € lieferbar.