Giovanni Boccaccio: Von berühmten Frauen

Aber wozu die vielen Worte?

Giovanni Boccaccio ist durch ein Jugendwerk, das Decamerone, berühmt geworden. Das Buch hat ihm den Weg in das Umfeld Petrarcas eröffnet, den er später nicht müde wurde, seinen Lehrer zu nennen. Er ist dann von der Volkssprache zum Lateinischen übergegangen und hat an­ge­fan­gen, gelehrte Bücher zu verfassen, so eine heute nur wenig bekannte, umfangreiche Genealogie der heidnischen Götter und eben auch eine Anthologie kurzer Bio­gra­phien berühmter Frauen ‒ De mulieribus claris ‒, die gerade bei C. H. Beck in kleiner Auswahl neu übersetzt in der Reihe textura wieder erschienen ist.

Das Büchlein enthält 31 der ursprünglich 106 Kurzportraits, bei denen Boc­cac­cio der Antike ein absolutes Übergewicht einräumt: 100 seiner Texte behandeln Frauengestalten der Antike, wobei er mit der biblischen Ur­mut­ter Eva beginnt, um auch im Weiteren keine Unterschiede zwischen my­tho­lo­gi­schen und historischen Figuren zu machen. Die vom Übersetzer getroffene Auswahl ist amüsant und unterhaltsam und hat gerade die richtige Länge, um den Leser nicht zu strapazieren. Die Übersetzung kommt dem modernen Leser entgegen, ohne dabei die Herkunft des Originals aus dem Lateinischen gänzlich zu verleugnen.

Eine moderne Lektüre dieses spätmittelalterlichen Textes ist nicht ohne Reiz, denn so sehr sich Boccaccio auch bemüht, die berühmten Frauen nicht nur „als Frauen“ zu rühmen, so sehr ist es am Ende immer wieder ihre Tu­gend­haf­tig­keit, auf der ihre Berühmtheit gründet. Dort, wo sich andere Qua­li­tä­ten beim besten Willen nicht verleugnen lassen, setzt sich sein Weltbild letztlich doch durch:

Ich würde meinen, dass die Natur bisweilen Fehler begeht, wenn sie Seelen mit menschlichen Körpern verbindet: wenn sie beispielweise eine Seele in eine weibliche Brust gießt, die sie für eine männliche vor­ge­se­hen hatte. Da jedoch Gott selbst der Schöpfer solcher Menschen ist, wäre es verwerflich zu glauben, er sei bei seiner Schöpfung kurz eingenickt.

Ganz niedlich wird es dort, wo er sich gezwungen sieht, die rezente Königin von Neapel, Johanna von Anjou, als Schlussstück aufzunehmen, und an ihr unter anderem dies zu loben findet:

In den von ihr beherrschten Gebieten sorgte sie dafür, dass nicht nur Arme, sondern auch Reiche Tag und Nacht sicher und furchtlos ihrer Wege gehen können.

Wem es gelingt, dass sogar die Reichen vor Räubern sicher sind, muss über wahre Herrscherinnenqualität verfügen!

Mit ein wenig Ironie gelesen, eine überraschend frische und vergnügliche Lektüre.

Giovanni Boccaccio: Von berühmten Frauen. Ausgewählt und aus dem Lateinischen übersetzt von Martin Hallmannsecker. München: C. H. Beck, 2021. Bedruckter Pappband, 159 Seiten. 18,‒ €.