Markus Kolbeck aka Dostojewskij macht uns auf eine für Deutschland angeblich neue Modewelle aufmerksam: Shortlists. Solche Listen sind in allen Lifestylebereichen eine hilfreiche Orientierung, da sie in der Regel nach dem Muster »Blinde betreiben Farbberatung« erstellt werden. Auch Möchtegernlesern wird der Weg gewiesen!
Auch ich werde mich daher nicht lumpen lassen und eine neue Rubrik einführen, die in lockerer Folge Listen für Kenner und Liebhaber liefern wird. Heute:
10 Bücher, über die Sie beruhigt mitreden können, ohne sie gelesen zu haben:
- Die Bibel – zum einen ist sowieso klar, was drin steht, zum anderen kennt man ja die beiden wichtigen Teile aus dem Kino, zum dritten: Haben Sie sich mal den Stil von dem Autor angekuckt?
- Johann Wolfgang von Goethe: Faust – unfraglich ein Meisterwerk! Wenn auch der zweiten Teil seine Längen hat.
- Karl Marx: Das Kapital – unbedingt den Witz von dem Mann erzählen, der »Das Kapital« von Karl May liest und sich wundert, dass so wenig Indianer drin vorkommen! Ansonsten genügt der Satz: »Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis.«
- Herman Melville: Moby-Dick – betonen Sie, dass jetzt endlich eine deutsche Ausgabe vorliegt, die einen Bindestrich im Titel hat. Erwähnen Sie außerdem »diesen Übersetzer-Streit, den es da mal gegeben hat«.
- James Joyce: Finnegans Wake – ist anerkannt unlesbar! Vergessen Sie nicht, sich über diese »angebliche deutsche Übersetzung« zu mokieren.
- Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften – hat von den anderen auch keiner gelesen, so lässt sich rasch Einigkeit erzielen. Sagen Sie: »In dem Fall liegt Reich-Ranicki aber mal daneben!«
- Arno Schmidt: Zettel’s Traum – sagen Sie einfach, dass Sie einen Bekannten haben, der das Buch besitzt. Nennen Sie aufs Geratewohl irgendein Gewicht für das Buch, das ihnen unvorstellbar hoch vorkommt; wenn Sie sich zu sehr vergriffen haben sollten, lachen Sie nachher und meinen es ironisch. Echte Kenner erkennt man daran, dass Sie den Titel mit Apostroph aussprechen!
- Hans Henny Jahnn: Fluß ohne Ufer – erwähnen Sie, dass der Autor früher Orgelbauer war und später Pferde-Urin getrunken hat, weil er das für gesundheitsfördernd hielt. Lassen Sie den Namen Hubert Fichte fallen und ziehen Sie wissend die Augenbrauen hoch!
- Patrick Süskind: Das Parfüm – haben ohnehin alle gelesen – oder wenigstens den Film gesehen, also einfach mitnicken! Fragen Sie: »Kennen Sie auch ›Die Taube‹?« Und wieder nicken! Lassen Sie sich nicht auf die Fangfrage ein, ob in »Die Taube« eine Gehörlose vorkommt!
- Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft – einfach nur nicken und lässig abwinken: Klar, versteht sich von selbst!