Der Roman des Freiherrn von Vieren

cover

Dieses Fragment eines Romans aus dem Jahr 1815 wurde 1926 erstmals aus dem Nachlass Adalbert von Chamissos veröffentlicht. Es umfasst faktisch sieben Kapitel von drei Autoren (Adalbert von Chamisso, Karl Wilhelm Salice-Contessa und Friedrich de la Motte Fouqué) mit in der vorliegenden Ausgabe knapp 50 Seiten; zwar werden acht Kapitel gezählt, aber das fünfte, das einzige von E. T. A. Hoffmann verfasste, fehlt im Manuskript und scheint überhaupt verloren gegangen zu sein. Hoffmann hat es nach der Aufgabe des Projektes offenbar zurückgefordert und als Grundlage für seine Erzählung „Der Doppeltgänger“ (1821) benutzt. Außer Hoffmann hat auch der mit drei Kapiteln beteiligte, heute nur noch literarhistorisch rezipierte Karl Wilhelm Salice-Contessa (1777–1825) aus seinem Anteil am Fragment eine Veröffentlichung erzeugt: „Das Bild der Mutter“ (1818). Beide Verarbeitungen werden in der vorliegenden Ausgabe dankenswerter Weise mit abgedruckt; so hat man wenigstens nicht nur das kurze Fragment zum Lesen.

Das Fragment selbst kommt kaum über die Exposition der angestrebten Verwicklungen hinaus: Offensichtlich geht es um gleich drei Brüder – eineiige Drillinge, was die Voraussetzung für die angestrebten Verwicklungen bildet –, die, nachdem sie getrennt und ohne Kenntnis voneinander aufgewachsen sind, nun schicksalhaft aufeinandertreffen. Nachdem dem Leser dies klar geworden ist, setzen zwei der Figuren zu einer Verfolgungsjagd auf einen der Brüder und eine in all dies verstrickte junge Dame an, doch bricht das Fragment an dieser Stelle ab. So recht beurteilen kann man den Text nicht; einzig klar wird, dass es keinen groben Entwurf der gesamten Handlung gab, sondern die Autoren sich von Kapitel zu Kapitel vorwärts wurschtelten. Wahrscheinlich war es eine kluge Entscheidung, das Experiment dieses Vierer-Romans aufzugeben; jedenfalls geben die erhaltenen Seiten nicht Anlass zur Erwartung, hier wäre ein großer Wurf verloren gegangen.

„Das Bild der Mutter“ von Contessa ist eine Art Schmonzette, die ohne das Doppelgänger-Motiv auskommt, sondern nur mit dem Brüder-Motiv arbeitet. Die familiären Verwicklungen halten sich daher in Grenzen und werden auf recht banale Weise aufs Glücklichste aufgelöst. Ich selbst habe von Contessa nichts außer diesem Text gelesen, und das wird auch bis auf Weiteres so bleiben. Hoffmanns „Der Doppeltgänger“ gehört ebenfalls nicht zu dessen beliebtesten Erzählungen. Wie der Titel schon verrät, übernimmt Hoffmann das bei ihm mehrfach auftauchende Doppelgänger-Motiv, reduziert die Anzahl der Brüder aber auf zwei. Die beiden sind bereits als Kinder unschuldig in den Streit zweier Fürsten geraten, der ihren Lebensgang geprägt hat. Hoffmanns Erzählung ist angereichert durch zahlreiche unterschiedliche Figurenspiegelungen. Hoffmann ist sich der Trivialität der Fabel sehr bewusst und bricht deren Pathos immer wieder durch burlesk übertriebenen Humor, der dem Text eine unübersehbare ironische Ebene einzieht. Das rettet Hoffmanns Erzählung vor der Banalität der Contessas.

Alles in allem ein etwas obskures Dokument; wirklich lesenswert nur für echte Freunde der deutschen Romantik.

Adalbert von Chamisso / E. T. A. Hoffmann / Friedrich de la Motte Fouqué / Karl Wilhelm Salice-Contessa: Der Roman des Freiherrn von Vieren / Das Bild der Mutter / Der Doppeltgänger. Hg. v. Markus Bernauer. München: dtv, 2018. Pappband, Lesebändchen, 223 Seiten. 22,– €. Nur noch antiquarisch lieferbar.

Friedrich Heinrich Jacobi: Aus Eduard Allwills Papieren

Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819) ist einer jener Schriftsteller des Übergangs vom 18. zum 19. Jahrhundert, die nur deshalb noch einigermaßen in Erinnerung sind, weil sie sich in die reiche Briefkultur dieser Zeit eingeschrieben haben. Jacobis älterer Bruder war der als Dichter oft verspotteter Anakreontiker Johann Georg Jacobi, der an zahlreichen Zeitschriften der Zeit beteiligt war und dessen Prominenz seinem Bruder den Weg zu zahlreichen berühmteren Korrespondenz­partnern eröffnete. Ganz im Geiste der Zeit folgten den Briefen auch persönliche Begegnungen, und so wurde Friedrich Heinrich Jacobi eine der vielen Randfiguren der deutschen Literarhistorie.

Die ersten Briefe Aus Eduard Allwills Papieren erschienen 1775 in der von Johann Georg Jacobi herausgegebenen Zeitschrift Iris, die sich explizit an ein weibliches Publikum wandte. Fortgesetzt wurde die Reihe der Briefe dann 1776 in Wielands Teutschem Merkur und dann über weitere Zwischenstufen bis 1812, als sie als Allwills Briefsammlung innerhalb der vom Autor selbst besorgten Werke endgültig fixiert wurden. Die Reihe von Briefen einen Roman zu nennen, wie dies weitgehend geschieht, ist etwas verwegen, nicht nur wegen des mäßigen Umfangs, sondern auch, weil eine Handlung eher angedeutet ist, als dass sie wirklich erzählt würde.

Die Briefe erzählen im im Großen und Ganzen eine Episode aus der Geschichte der Familien Clerdon und der mit ihr verschwägerten von Wallberg, zu deren Bekanntenkreis auch der titelgebende junge Eduard Allwill gehört. Allwill hat sich bereits in seiner Kindheit als ein besonders willensstarkes und eigensinniges Kind gezeigt und ist nun ein junger Mann, der auf gesellschaftliche Usancen nur wenig Rücksicht nehmen zu müssen glaubt. Er hat offensichtlich einer jungen Frau – Luzie von Wallberg – den Kopf verdreht und sie dann sitzen lassen. In einem ihrer Briefe schreibt ihre Tante Silly:

So ward unsere Luzie hingewagt, so ging uns das süße Geschöpf verloren; denn sie stirbt, Kinder, und ihr Tod ist dieser Allwill!

Als ganz so dramatisch erweist sich die Lage dann doch nicht: In den beiden letzten Briefen, die das eigentliche Prunkstück der Sammlung (1775/1776) bilden, verbreitet Eduard nicht nur seine libertinistische Philosophie des natürlichen Gefühls, dem es zu folgen gelte, sondern er erhält auch eine vollständige Zurückweisung seines Standpunktes durch die bürgerlich-moralisch argumentierende Luzie, die mit ihrem Plädoyer das letzte Wort behält. Einen sterbenden Eindruck macht sie dabei ganz und gar nicht.

Ich bin an dieses Stück geraten, da ich im Rahmen einer Rezension, die hier nichts zur Sache tut, wieder einmal den Goetheschen Werther in die Hand genommen habe und dabei an Jacobi erinnert wurde, von dem mir bislang nur sein Woldemar dem Namen nach bekannt war. Der Eduard Allwill stand kurzzeitig im Verdacht eine weiterer Briefroman aus der Feder Goethes zu sein, wenn dies auch aus einer eher oberflächlichen Vergleichung mit dem Werther herzurühren scheint. Da das Stück rasch gelesen ist (digitale Texte und deren Ausdrucke finden sich zuhauf), kann ich es für jene, die an der Literatur der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang interessiert sind, nur empfehlen. Wahrscheinlich werde ich hier in nächster Zeit noch die eine oder andere kleine Publikation, die im zeitlichen Umfeld des Werthers entstanden ist, besprechen.

Friedrich Heinrich Jacobi: Aus Eduard Allwills Papieren. Düsseldorf: Iris 4.1775 und Weimar: Der Teutsche Merkur 2.1776–4.1776.

Dieter Kühn: Der Parzival des Wolfram von Eschenbach

Cover

Angeregt durch die Lektüre des Buches von Frank Rexroth habe ich nach langer Zeit wieder einmal Dieter Kühns biographischen Entwurf zu Wolfram aus dem Regal gezogen. Ich bin während des Studiums auf Kühn aufmerksam gemacht worden, und mein stets waches, aber großteils doch vernachlässigtes Interesse an Kultur und Geschichte des Mittelalters rührt wesentlich aus der Lektüre dieses Buches her.

Kühns Buch hat zwei Teile: Im ersten liefert er auf etwa 330 Seiten – wie bereits gesagt – einen biographischen Entwurf des Lebens und Werks Wolframs, während der zweite, deutlich umfangreichere Teil eine Übersetzung von ungefähr 80 % des Wolframschen „Parzival“ enthält. (Die komplette Übersetzung liegt in der zweisprachigen Ausgabe beim Deutschen Klassiker Verlag leider nur noch als Taschenbuch vor.)

Wie immer, wenn es über die zu verbiographierende Person nur wenig Konkretes zu sagen gibt, liefert auch Kühns Entwurf ersatzweise ein Panorama der zeitgenössischen Kultur und – wenigstens in groben Zügen – Geschichte. Kühn macht dabei an allen Stellen klar, wo er gezwungen ist zu extrapolieren, wo nur Vermutungen möglich sind, was sich nur erraten lässt. Er erfindet zwei Figuren, um in ihnen das vermutliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Lebensumfeld Wolframs zu unterschiedlichen Zeiten seines Lebens zu spiegeln. Natürlich nimmt auch die Besprechung der Werke Wolframs – nicht nur des „Parzival“, sondern auch des „Willehalm“ und des „Titurel“ – breiten Raum ein; alle Werke sind in ausführlichen Zitaten auch schon in diesem ersten Teil präsent. Was das Buch über all das hinweg auszeichnet, ist Kühns äußerst angenehmer Erzählstil, der die unterschiedlichsten Themen und Fiktionen elegant miteinander verbindet.

Kühns Buch über Wolfram ist der erste Teil seines Mittelalter-Quartetts, das mit „Neidhart und das Reuental“, „Tristan und Isolde des Gottfried von Straßburg“ und „Ich Wolkenstein“ vervollständigt wurde. Das hier besprochene und derzeit auch noch vorliegende Taschenbuch enthält eine Überarbeitung des ersten Teils von 1997; da ich das Buch erstmals in der 80-er Jahren gelesen habe, muss dies damals noch die ursprüngliche Fassung gewesen sein; ich kann mich aber an die erste Lektüre leider nicht mehr gut genug erinnern, um einen Vergleich der beiden Fassungen auch nur versuchen zu können.

Dieter Kühn: Der Parzival des Wolfram von Eschenbach. Fischer Taschenbuch 13336. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 42006. Broschur, 939 Seiten. 29,– €. – Zur Information: Meine Ausgabe hat im Jahr 2006 12,95 € gekostet.

Frank Rexroth: Fröhliche Scholastik

Die Vernunft steht über dem Gesetz, dieses über der Gewohnheit.

Abaelard

Cover

Während die meisten Darstellungen der Scholastik ihren Schwerpunkt auf die methodische und inhaltliche Entwicklung dieser Denkbewegung und -epoche legen, behandelt Rexroth die Scholastik in der Hauptsache als soziologische Evolution des Bildungssystems im 12 Jahrhundert. Er beschreibt das Aufbrechen des eher starren Schulsystems des frühen Mittelalters in ein durch vielfältige Experimente mit neuen Formen des Zusammenlebens und Unterrichts geprägte neue Form wissenschaftlicher Existenz.

Das Buch setzt beim Leser zumindest Grundkenntnisse der Scholastik voraus, kann unter dieser Bedingung aber als eine nahezu idealtypische historisch-soziologische Ergänzung zu jeglicher Einführung in die Scholastik empfohlen werden. Zumindest bei mir hat das Buch ein intensiveres Nachdenken auch über die gesellschaftliche Bedingtheit neuzeitlicher Philosophie ausgelöst, ein Aspekt, der in der Philosophiegeschichte eher vernachlässigt wird. Für alle an Philosophie Interessierten unbedingt zu empfehlen.

Frank Rexroth: Fröhliche Scholastik. Die Wissenschaftsrevolution des Mittelalters. München: C.H. Beck, 22019. Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen, 505 Seiten. 29,95 €.

Isaac Asimov: Foundation Trilogy

The Seldon Plan is neither complete nor correct.

Diese Erzählungen, die den für sogenannte Science Fiction eher seltenen Ruf eines Klassikers erlangt haben, sind in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden und veröffentlicht und dann zwischen 1951 und 1953 zu drei Büchern zusammengefasst worden. Während die einzelnen Erzählungen durchaus traditionellen Erzählmustern des Genres folgen, erzählt der Gesamtzyklus eher die Geschichte einer Idee, was für viele andere Science-Fiction-Zyklen vorbildhaft werden sollte.

Erzählt werden knapp vierhundert Jahre in der Entwicklung des Galaktischen Reichs, einer staatlichen Organisation, die zu Beginn der Erzählungen seit mehr als 10.000 Jahren existiert und auf der Höhe ihrer Macht zu sein scheint. Einzig der Psychohistoriker Hari Seldon, ein Soziologe mit einer sehr fortschrittlichen statistischen Methode, erkennt, dass sich das Reich bereits in einem unaufhaltsamen Prozess des Verfalls befindet. Er sagt den Niedergang innerhalb der nächsten 100 Jahre voraus und zugleich, dass es 30.000 Jahre dauern werde, bis sich ein Nachfolgestaat gleichen Umfangs wieder wird etablieren können. Um diesen Zeitraum auf nur 1.000 Jahre zu verkürzen, entwickelt er einen Plan, der wesentlich die Gründung zweier wissenschaftlicher Kolonien – der Foundations – vorsieht.

Inhalt der Erzählungen ist hauptsächlich die Entwicklung der naturwissenschaftlich geprägten Foundation, die in den Außenbezirken der Galaxie angesiedelt ist, und aufgrund ihrer technischen Überlegenheit das Machtvakuum füllen kann, das das verfallende Empire hinterlässt. Diese Entwicklung ist der Hauptinhalt des ersten Bandes “Foundation”. Der zweiten Band “Foundation and Empire” schildert die letzte Konfrontation zwischen den Kräften der Zentralmacht und der ersten Foundation sowie das Auftauchen einer außergewöhnlichen Einzelperson – des Mule –, der wegen einer Mutation eine ernsthafte Gefährdung des Plans von Hari Seldon darstellt, der mit seiner statistischen Methode nur die Entwicklung großer Menschenmassen voraussagen und den Einfluss eines außerordentlichen Individuums nicht mit einberechnen kann. Jedoch kann auch diese Krise durch das Eingreifen der zweiten Foundation überwunden werden. Der dritte Band “Second Foundation” schließlich schildert zum einen den Versuch des Mules, die zweite Foundation zu finden, und zum anderen einen Versuch der ersten Foundation, dasselbe Ziel zu erreichen. Zugleich ist die zweite Foundation bemüht, die vom Mule verursachten Störungen auszugleichen und die Galaxis auf den Weg von Seldons Plan zurückzusteuern. Diese letzten beiden Erzählungen sind leider die schwächsten Teile der Trilogie, aber unvermeidlich, um die Geschichte der Foundations einigermaßen zu einer Abrundung zu bringen.

Diese drei Bände sind für Science-Fiction-Erzählungen erstaunlich gut gealtert, wenn man von Kleinigkeiten absieht (Rauchen ist immer noch weit verbreitet, es gibt noch Zeitungen und was der Späße mehr sind), und ragen aufgrund der narrativen Spannung zwischen genretypischen Einzelerzählungen und dem ideologischem Gesamtkonzept immer noch weit über die breite Masse des Genres weit hinaus. Ich habe diese Bücher noch einmal angeschaut, weil sie zu meinen frühen prägenden Leseerfahrungen gehört haben (ich habe als Science-Fiction-Leser begonnen) und ich lange schon nachschauen wollte, wie sich die Bücher zu meiner Erinnerung stellen würden. Es ist keine Enttäuschung gewesen, sie noch einmal gelesen zu haben.

Asimov hat sich leider in den 80-er Jahren dazu überreden lassen, vier weitere Bände zu dieser Trilogie hinzuzufügen, die allerdings, falls denn der eine Band “Foundation’s Edge”, den ich gelesen habe, typisch ist, den Charme und die Dichte der ursprünglichen Trilogie auch nicht annährend erreichen.

Isaac Asimov: Foundation / Foundation and Empire / Second Foundation. Everyman’s Library. New York u. a.: Alfred A. Knopf, 2010. Leinenband, Fadenheftung, Lesebändchen, LII + 612 Seiten. Etwa 15,– €.

Arno Schmidt in Schwarze Spiegel gezeichnet von Mahler

Nicolas Mahler hat sich sehr rasch einen Namen damit gemacht, anspruchsvolle literarische Texte auf originelle Weise in sogenannte Graphic Novels zu verwandeln. So auch hier bei Arno Schmidts „Schwarze Spiegel“. Der Roman ist so etwas wie das Tagebuch eines namenlosen Ich-Erzählers, der sich nach einem vernichtenden Atomkrieg als vermeintlich letzter Mensch in Europa in der Lüneburger Heide niederlässt. Statt in eines der verlassenen Häuser einzuziehen, baut er sich lieber eine Hütte im Wald – das Warum dafür ist vielfältig und braucht hier nicht erläutert zu werden; interessant ist aber, dass Mahler gerade diesen Aspekt des Romans unterschlägt –, fährt mit seinem Fahrrad nach Hamburg, um dort Bilder für sein Heim aus der Kunsthalle zu entwenden und sich auch in den dortigen Antiquariaten zu bedienen, und richtet sich so in einer menschenleeren Welt auf seine restlichen Tage ein. Es weist sich, dass er natürlich nicht der letzte Mensch ist, sondern sich noch eine Frau einfindet. Nachdem man vorsichtigerweise erst einmal aufeinander geschossen hat, einigt man sich auf einen Waffenstillstand, der dann kräftig ausgekostet wird. Mehr muss hier gar nicht verraten werden.

Mahlers Version der „Schwarzen Spiegel“ ist sehr anspielungsreich: Bei ihm ist es offenbar der Autor Schmidt selbst, der durch das atomwüste Deutschland radelt; in seinen Träumen spiegeln sich andere seiner Werke wider, die auch in wörtlichen Zitaten hier und da präsent sind. Auch Zeichnungen von Schmidt selbst und von Künstlern, die er schätzte, sind in die Verzeichnung des Romans eingegangen. Herausgekommen ist ein sehr unterhaltsames Werk, das sowohl dem Kenner als auch dem Greenhorn in Sachen Schmidt einiges Vergnügen bereiten kann. Sehr empfehlenswert, auch als Geschenkbuch!

Arno Schmidt in Schwarze Spiegel gezeichnet von Mahler. Bibliothek Suhrkamp 1528. Berlin: Suhrkamp, 2021. Pappband, Fadenheftung, Lesebändchen, 191 Seiten. 24,– €.

Wilhelm Raabe: Fabian und Sebastian

Alle lügen sie, Alle, nach ihrer Art! Ich auch! aber nicht so dumm wie die Anderen alle!

Mit diesem Buch beginnt der Wallstein-Verlag eine neue, kritische Wilhelm-Raabe-Ausgabe, ein weiteres erstaunliches Unternehmen dieses Verlages, denn die Präsenz Raabes in unserer föjetonistischen Kultur dürfte mit „eher dürftig“ noch sehr freundlich beschrieben sein. Angekündigt ist für den kommenden Februar noch der Band „Der Lar“ (1889); wie sich die Sache danach entwickeln wird, müssen wir abwarten und hängt sicherlich auch davon ab, wie erfolgreich der Einstieg gerät. Ein Editionsplan ist wenigstens im Moment auf der Webseite des Verlages noch nicht zu finden.

„Fabian und Sebastian“ stammt vom Anfang der 1880er-Jahre und war keiner der großen Erfolge Raabes, der von seiner Schriftstellerei lebte und daher auf den Zuspruch des Lesepublikums angewiesen war. Erzählt wird die Geschichte dreier Brüder, von den allerdings der jüngste, Lorenz, zu Beginn der Erzählung gerade auf Sumatra im nierderländischen Militärdienst verstorben ist und eine nun verwaiste, 15-jährige Tochter hinterlassen hat, die gerade auf dem Weg nach Europa ist, um bei ihren Onkeln zu leben. Fabian und Sebastian sind Besitzer einer erfolgreichen Konfitüren- und Schokoladenfabrik, wobei Sebastian der Geschäftsführer ist, während sich Fabian um die künstlerische Gestaltung der Ware kümmert. Beide Brüder sind unverheiratet und wohnen auf dem Fabrikgelände, aber in getrennten Wohnung und haben wenig Kontakt miteinander. Sebastian möchte seine neue Nichte Constanze in einer Pension für jungen Mädchen unterbringen, nicht nur, um sie aus dem Haus zu haben, sondern auch um das Problem der Erziehung des Mädchens auf einfachem Weg zu lösen. Fabian dagegen hat zusammen mit seinem philosophischen Faktotum Knövenagel bereits ein Zimmer für sie eingerichtet und reist nach Marseille, um Constanze dort vom Schiff abzuholen.

Nach der Rückkehr in die Heimatstadt passiert erstaunlich wenig: Weder wird die Beziehung zwischen den beiden Brüdern enger, noch erweitert sich das doch sehr beschränkte soziale Umfeld Fabians durch Constanzes Einfluss. Das Mädchen lebt in der Stadt im eingezogenen Zirkel Fabians; als Gegenwelt dient das ländliche Schielau, in dem Constanze einige glückliche Sommerwochen bei dem mit Fabian eng befreundeten Amtmann und seiner Frau durchlebt. Fabian selbst gerät durch die Ankunft des Mädchens in eine künstlerische Krise, die sich auf die saisonale Vorbereitung der Schokoladenfabrikation für das nächste Weihnachtsgeschäft auswirkt.

Ebenso gerät Sebastian in eine zuerst eher unbestimmtere psychische Krise, die offensichtlich mit der unterdrückten Vorgeschichte der drei Brüder zu tun hat, die von Beginn an in Andeutungen die Erzählungen durchwirkt. Ich will hier nicht zu viel verraten, aber auch in dieser Vorgeschichte gibt es eine Tochter, die auf tragische Weise ums Leben gekommen ist, weshalb ihre Mutter seit beinahe zwanzig Jahren im städtischen Gefängnis sitzt. Diese Geschichte tritt erst peu à peu zutage, so wie sie in immer neuen Teilen Constanze erzählt wird.

Den Abschluss der Erzählung bildet eine bitter-süße Auflösung der Spannungen, die zwischen den Brüdern und dem anderen, unterdrückten Teil dieser Familie bestehen. Es kann nicht ohne Tragik abgehen, aber Constanze bewehrt sich hier als gute Wilde auf das Beste. Es wird zwar nicht alles gut, aber doch besser. All das wird in einer absichtlich umständlichen und etwas redundanten Sprache erzählt, wobei die Geschlossenheit der präsentierten kleinen Welt nur einer oberflächlichen Betrachtung standhält.

Der Band ist eine Gelegenheit, Raabe als komplexen und originellen Erzähler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kennenzulernen. Er ist ein Beispiel für die Neigung des sogenannten literarischen Realismus, auf den ersten Blick eher schlichte Erzählungen mit zahlreichen Bedeutungs-Ebenen zu unterfüttern, ohne damit die Rezeption eines breiteren Lesepublikums zu stören.

Wilhelm Raabe: Fabian und Sebastian. Eine Erzählung. In: Werke. Kritische kommentierte Ausgabe. Göttingen: Wallstein, 2023. Pappband, Fadenheftung, 288 Seiten. 26,– €.

Johannes Preiser-Kapeller: Byzanz

Geschichte von der Antike über das Mittelalter bis in die Moderne ohne das Neue Rom zu schreiben oder lehren zu wollen, ist […] ein aussichtsloses Unterfangen.

Es ist ein höchst seltener Fall, dass sich eine Sachbuchreihe nach ihrem vermeintlichen Abschluss nicht nur noch einmal zu Wort meldet, sondern sich zudem auch noch ins Wort fällt, wenn man so sagen darf. Der sechste Band der Beck’schen Geschichte der Antike hatte die Antike schon vergleichsweise spät mit dem Aufstieg des Islam enden lassen. Sein Nachfolger Preiser-Kapeller liefert nun einen siebten Band der Hexalogie und verlängert mit ihm die Geschichte der Antike mit einigem Recht bis ins Jahr 1453, also bis zum endgültigen Fall von Konstantinopel an die Osmanen. Er weist darauf hin, dass im Selbstverständnis, aber durchaus auch im Verständnis des sogenannten Westens Konstantinopel noch für sehr lange Zeit als zwar beschränkte, aber dennoch ungebrochene Fortsetzung des römischen Kaisertums und seines Reiches empfunden wurde.

Es ist verständlich, dass eine Darstellung von über 1.000 Jahren Historie auf etwas über 300 Seiten in weiten Teilen summarisch sein muss. Besonders die letzten 200 Jahre der Geschichte des „Neuen Rom“, wie der Autor das Byzantinische Reich bevorzugt nennt, sind eine dichte Aneinanderreihung von Haupt- und Staatsaktionen, auch wenn sich Preise-Kapeller redlich bemüht die sozialen und ökonomischen Bedingungen der Menschen unter den römischen Kaisern nicht ganz zu vernachlässigen. Die Darstellung macht viele Verflechtungen zwischen Macht- und Religionspolitik deutlich, wie etwa in der Spätzeit des oströmischen Reiches die Kaiser immer erneut mit dem Pfund einer Kirchenvereinigung wuchern, um Unterstützung aus dem Westen Europas zu erlangen, sich dabei aber notwendig gegen ihre eigene Kirche und die Masse der gläubigen Untertanen wenden müssen. Auch die sowohl auf byzantinischer als auch auf slawischer, mongolischer und islamischer Seite immer erneute Selbstschwächung durch innere Konflikte beim Herrscherwechsel sind eine Konstante der Darstellung, die deutlich macht, wie wenig das Konzept des Einzelherrschers tatsächlich in der Lage ist, eine zuverlässige, stabile und erfolgreiche Ge­sell­schafts­ord­nung über Generationen hinweg zu garantieren. Nicht zuletzt folgt Preiser-Kapeller der Tugend der Gesamtreihe, die grundlegenden Quellen seiner Geschichtsschreibung nicht zur zu benennen, sondern auch immer kritisch auf deren eigene Agenda hin zu befragen.

Man würde sich 150 oder sogar 200 Seiten mehr wünschen, nicht nur um die soziale und intellektuelle Entwicklung des Neuen Rom detaillierter zu verstehen, sondern auch um mehr über die näher und weiter entfernten Feinde des Reiches zu erfahren. So wird etwa die Rolle der Mongolen und der Entwicklung ihres Reiches immer wieder thematisiert, doch bleibt das Bild dieses Volkes und der inneren Struktur seiner Herrschaft leider zwangsläufig schemenhaft. Doch solche Nachforderungen lassen sich natürlich immer und bei jedem Werk gleich welchen Umfangs formulieren.

Insgesamt ein sehr würdiger Abschluss dieser Reihe, die in ihrer Gesamtheit nur einmal mehr empfohlen werden kann.

Johannes Preiser-Kapeller: Byzanz. Das Neue Rom und die Welt des Mittelalters. C. H. Beck Paperback 6535. München: Beck, 2023. Klappenbroschur, 352 Seiten. 22,– €.

Fabcaro / Didier Conrad: Die weiße Iris

Pünktlich nach zwei Jahren legt die holzverarbeitende Industrie den nächsten Asterix-Band vor, mit einem neuen Texter – über den Grund des Wechsels habe ich nichts finden können, ich habe allerdings auch nicht sehr gesucht –, aber ansonsten entlang der altbewährten Linien: Ein wenig „Streit um Asterix“, ein wenig „Die Lorbeeren des Cäsar“ gewürzt mit Anspielungen auf „Asterix und der Kupferkessel“ und „Das Geschenk des Cäsar“ und fertig ist die Laube. Da kann man sich sogar augenzwinkernd über seine eigene Einfallslosigkeit lustig machen.

Wer so etwas mag, der wird wohl ganz gut bedient: Die Fabel zerfällt in zwei Teile. Im ersten versucht ein intriganter esoterischer Schwätzer, genannt die weiße Iris (im Französischen ist die Iris grammatikalisch maskulin, aber das ist natürlich nicht zu retten), das gallische Dorf mit Geschwätz sturmreif zu machen, indem er einerseits die Gallier in harmoniebedürftige Gutmenschen, im Gegenzug die römischen Legionäre im Lager Babaorum in stets positiv denkende Kampfmaschinen verwandelt. Wie beides mit derselben rhetorischen Strategie gelingen kann, bleibt das Geheimnis des Autors; dies könnte allerdings auch der einzige wirklich subversive Gedanke des Bandes sein; aber das hieße wahrscheinlich doch, dem Autor zu viel zuzutrauen. Natürlich widerstehen Asterix und Miraculix dem Einflüsterer, während Obelix schlicht zu einfältig ist, um auf ihn hereinzufallen. Sowohl der Autor als auch sein Intrigant bemerken bald, dass diese Strategie nirgends hinführt, weshalb die beiden beschließen, Gutemine, die Frau des Häuptlings Majestix zu entführen und Cäsar als Geisel zu übergeben.

Dies bildet den zweiten Teil der Fabel, der mit dem ersten kaum verbunden ist. Merkwürdigerweise wird diese Entführung Gutemine gegenüber als Reise nach Lutetia (Paris) ausgegeben (gereist wird im Thalix, einem der wenigen hübschen Einfälle des Bandes!), da Cäsar sich dort bald einfinden soll. Asterix, Obelix und Majestix folgen der Entführten; unterwegs ergibt sich ausführlich Gelegenheit, immer erneut ein und denselben Witz zu machen. In Lutetia besucht Gutemine ihren Bruder Homöopater, man macht sich ein wenig über das Kulturleben und die Möchtegern-Intellektuellen der Hauptstadt lustig und trifft sich schließlich zum Showdown im Theater, wo das Stück „Warten auf Godos“ gegeben wird, in dem zu meiner nicht zu überbietenden Überraschung die Sätze „Huch, meine Frau! Ab in den Schrank!“ fallen. Auch Cäsar erscheint dort als Deus ex calamo und vereitelt die ohnehin eher schlecht motivierte Intrige. Alles wird gut.

Der Band ist ein Beleg mehr dafür, dass die Reihe ihren Produzenten inzwischen vollständig gleichgültig geworden ist. Es handelt sich nurmehr um ein seriell produziertes Produkt, das mit dem Geist und Witz seiner ursprünglichen Erfindung überhaupt nichts mehr verbindet. Die Handlung ist schlecht konstruiert, die Satire ist extrem flach, die Zitate der alten Bände sind nichts weiter als das und am Ende sind einmal mehr 48 Seiten gefüllt. Die Verkaufszahlen und der erfolgreiche Medien-Hype scheinen dem Konzept Recht zu geben. Wir leben in einer Kultur der Hülsen; aber auch dieser Gedanke ist nicht mehr gänzlich frisch.

Fabcaro / Didier Conrad: Die weiße Iris. Asterix Bd. 40. Berlin: Egmont Ehapa, 2023. Bedruckter Pappband, 48 Seiten (28,8 × 22,4 cm). 13,50 €.

Platon: Apologie des Sokrates

Wer mehr als dreimal hintereinander «warum?» sagt, muss entweder Sokrates sein oder ein Idiot.

Ludwig Hohl

Die Platonische „Apologie“ ist wahrscheinlich der meistgelesene philosophische Primärtext überhaupt: Nicht nur wird er seit langem als einer der Einführungstexte in die Philosophie gebraucht, sondern zusätzlich dient er als Lektüre im Unterricht des Altgriechischen. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass er bereits in zahlreichen Übersetzungen vorliegt und in regelmäßigen Abständen neu übersetzt wird. So auch hier durch den seit einigen Jahren sehr aktiven Kurt Steinmann für die Manesse Bibliothek.

Wie den meisten Lesern bekannt sein dürfte, handelt es sich bei der „Apologie“ um die Wiedergabe dreier Reden, die Sokrates im Jahr 399 v.u.Z. bei dem gegen ihn geführten Prozess wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend gehalten hat. Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Reden von seinem Schüler Plato zwar nicht wörtlich, aber doch weitgehend authentisch aufgezeichnet wurden. Da von einer recht zeitnahen Publikation der platonischen Schrift nach Prozessende ausgegangen werden darf, hätte es zahlreiche direkte Beobachter des Prozesses gegeben, die auf eine grobe Verfälschung der sokratischen Reden hätten hinweisen können.

Die längste Rede ist die erste, direkt gegen die Anklage und die Ankläger gerichtete. Hier findet sich Sokrates berühmteste Auseinandersetzung mit der problematischen Natur menschlichen Wissens, die sich im Volksmund ebenso pauschal wie falsch in dem Pseudo-Zitat „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ zusammengefasst findet. Etwas ausführlicher gesagt: Ausgangspunkt ist die Behauptung des Orakels von Delphi, Sokrates sei der Weiseste der Sterblichen, was diesen dazu veranlasst habe, das Wissen seiner Mitmenschen zu prüfen, um das Orakel zu widerlegen. Leider habe nun aber seine Aktivität nur dazu geführt, dass er, bei wem er auch nachgefragt habe, nur auf unzureichendes Wissen gestoßen sei. Daher sei die Aussage des Orakels so zu verstehen sei, dass Sokrates deswegen der Weiseste sei, weil er, obwohl auch er nicht wirklich etwas wisse, sich im Gegensatz zu seinen Mitmenschen nicht einbilde, über wirkliches Wissen zu verfügen. Allerdings habe er sich mit seinem insistierenden Nachfragen viele Feinde geschaffen, er sei sogar zu einer Karikatur in der Komödie des Aristophanes geworden, und dies sei es, was ihm diese Anklage eingebracht habe. Doch diene er mit seiner Suche nach der Wahrheit nur dem Gott und werde das auch in Zukunft so tun.

Streng betrachtet ist die Sokratische Argumentation windig: Natürlich hat ihn der Spruch des Orakels zu nichts verpflichtet; natürlich ist es schlicht Hybris, seinen Zeitgenossen auf dem Markt und anderen öffentlichen Plätzen zum Vergnügen der Umstehenden ihre Inkompetenz oder wenigstens ihre mangelnde Schlagfertigkeit nachzuweisen. Aber ebenso natürlich sollte dies nicht die Grundlage für einen Gerichtsprozess mit einem möglichen Todesurteil als Ergebnis sein.

Es ist in der Rezeptions-Tradition zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es sich Sokrates erst mit der zweiten Rede mit seinen Richtern verdirbt. Nachdem er nach der ersten Rede mit einem recht knappen Ergebnis für schuldig befunden wurde, konnte der Angeklagte in der zweiten Rede zum Strafmaß sprechen. Er macht dabei klar, dass er eine staatlich finanzierte Speisung für die angemessenste Strafe für seine Dienste am Athener Volk halte, er lässt sich aber letztendlich dazu herab, eine Geldstrafe zu beantragen, von der er sagt, seine reichen Freunde hätten zugesagt, sie zu entrichten. Erst diese Rede, so die allgemeine Auffassung, habe die Richter bewogen, das Todesurteil zu verhängen.

Zur Rezeption der „Apologie“ gehören zwei weitere Platonische Dialoge: „Kriton“, in dem die Gründe des Sokrates ausgeführt werden, warum er das Urteil der Richter annimmt und sich der Exekution nicht durch Flucht entzieht und warum es besser ist, Unrecht zu erleiden als auszuüben. Und „Phaidon“, in dem die Hinrichtung Sokrates’ geschildert wird verbunden mit einer Diskussion über die Unsterblichkeit der Seele und darüber, dass das Leben des Philosophen eines auf den Tod hin sei. Es wäre sehr schön, wenn Kurt Steinmann auch diese beiden Dialoge neu übersetzte und so die kleine Trilogie dieser wichtigen Grundtexte für die europäische Tradition auch in den schönen Ausgaben der Manesse-Bibliothek zu Verfügung stünde.

Wie zu erwarten war, ist Steinmanns Übersetzung tadellos (an einer einzigen Stelle habe ich einen sprachlichen Lapsus gefunden), gut lesbar und in einem modernen, aber durchaus nicht nachlässigem Deutsch verfasst. Die Anmerkungen zum Text sind vereinzelt etwas überflüssig, da sie nur das paraphrasieren, was ohnehin im Text steht, insgesamt aber durchaus hilfreich für den Leser, der sich ohne Kenntnisse der kulturellen und juristischen Voraussetzungen des Prozesses an die Lektüre macht. Das Nachwort hat man mit Otto Schily einen Juristen schreiben lassen, was angesichts des philosophischen Sumpfes keine schlechte Idee ist, aber nur dazu führt, dass Schily die zu diskutieren Kernfrage „Was ist Wahrheit?“ (Pontius Pilatus) zwar anspricht, sich aber gleich anschließend den üblichen Ausreden zuwendet. Hier wäre eventuell eine Einordnung durch einen Althistoriker oder Philologen glücklicher gewesen.

Platon: Apologie des Sokrates. Übersetzt von Kurt Steinbach. Manesse Bibliothek. Zürich: Manesse, 2023. Pappband, Fadenheftung, Lesebändchen, 182 Seiten. 24,– €.