Friedhelm Rathjen: Rejoyce!

Rathjen-RejoyceSamuel Beckett soll auf die Frage, wie es komme, dass das kleine Irland eine so beeindruckende Zahl guter Schriftsteller hervorgebracht habe und hervorbringe, geantwortet haben:

Wenn man im hinterletzten Graben liegt, was bleibt einem da anderes übrig, als zu singen.1

Friedhelm Rathjen, der zuletzt auf der Buchmesse den Paul-Celan-Preis für herausragende Übersetzung verliehen bekommen hat, arbeitet nicht nur als Sprachferge, sondern ist auch Rezensent, Literaturwissenschaftler (Fachmann unter anderem für James Joyce, Samuel Beckett und Arno Schmidt) und belletristischer Autor. Er hat zudem bereits vor zehn Jahren den wahrscheinlich weisen Beschluss gefasst, sich zumindest für die Veröffentlichung seiner eigenen Bücher aus der Abhängigkeit von anderen Verleger zu lösen und sich als Autor nunmehr selbst auszubeuten. Entstanden ist damals die Ǝdition RejoycE, in der Anfang 2004 als erster Band „Rejoyce!“ erschienen ist, ein „kleiner Leitfaden durch die irische Literatur“. Zur Feier des 10-jährigen Bestehens des Verlages ist nun eine stark erweiterte Neuauflage des Bandes erschienen, der jetzt 108 Bücher von 48 irischen Autoren der letzten 120 Jahre bespricht.

Die Spannbreite der Rezensionen reicht von der klassischen Föjetong-Kritik über das Übersetzungs-Bashing (so habe ich mit großem Genuss Rathjens Demontage von Dieter H. Stündels sogenannter „Finnegans Wake“-Übersetzung wiedergelesen) bis zu Autoren-Porträts, in denen Rathjen einzelne Autoren konsequent von Buch zu Buch begleitet. Wer nicht selbst ein guter Kenner der irischen Literatur ist, findet hier nicht nur eine irische Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts en détail, sondern auch eine reiche Fundgrube kompetenter Lektüre-Hinweise. Ein Kompendium fürs Leseleben!

Friedhelm Rathjen: Rejoyce! Kleiner Leitfaden durch die irische Literatur. Südwesthörn: Ǝdition RejoycE, 2013. Bedruckter Pappband, 305 Seiten. 40,– €. Bestellungen per E-Mail direkt an den Verlag.

1. Deirdre Bair: Samuel Beckett. rororo 12850. Reinbek: Rowohlt, 1994. S. 622.

Paul Boghossian: Angst vor der Wahrheit

Aber das ist keine verbreitete Auffassung.

Boghossian-Angst

Der Text scheint – so sagt es jedenfalls das Nachwort von Markus Gabriel – nach seiner „Veröffentlichung im Jahr 2006 in der philosophischen Fachwelt für großes Aufsehen gesorgt“ (S. 135) zu haben. Dass ich davon erst durch die Lektüre eben dieses Nachworts erfahre, nehme man als Hinweis darauf, dass ich nicht zu jener philosophischen Fachwelt gehöre und ordne die nachfolgenden Bemerkungen entsprechend ein.

Ziel des Autors ist es, in dem schmalen Bändchen die Positionen des rezenten philosophischen Relativismus und (sozialen) Konstruktivismus prinzipiell zu prüfen und zurückzuweisen. Dabei kommen verschiedene Philosophen unterschiedlich gut davon; am besten noch Richard Rorty, dessen relativistische Position am Ende aber auch verworfen wird. Selbst Kants erkenntnistheoretische Theorie – die nur sehr allgemein und zurückhaltend behandelt wird, da der Autor sie offensichtlich nicht aus einer Lektüre der Primärtexte kennt – findet keine Gnade vor den Augen des Herrn. Aber zum Glück kennt er anderswoher die eine und einzige Wahrheit® und „ihre segensreichen Wirkungen“ (S. 134). Wir kommen darauf zurück.

Das erstaunlichste an der von Boghossian vorgebrachten Kritik des Relativismus und Konstruktivismus ist, dass er die Absicht der von ihm bekämpften Positionen im Grunde gar nicht begreift. Ihm ist es tatsächlich unverständlich, dass jemand einen Standpunkt einnehmen und vertreten möchte, der nicht den Spielregeln gehorcht, die er (Boghossian) so erfolgreich anzuwenden gelernt hat. Und es ist doch auch offenbar und für jeden Gutwilligen immer einsichtig: Was Wahrheit® ist, bestimmt die Naturwissenschaft und ihre rationale Methode. Jeder, der eine andere Wahrheit für wahr hält, muss entweder akzeptieren, dass diese Wahrheit nur ein indirekter, mittelbarer Ausdruck der Wahrheit® ist oder dass sie schlicht falsch sein muss. Wie das zu beweisen ist? Ganz einfach: aufgrund der Wahrheit® und der einzig zu ihr führenden rationalen Methode.

Boghossian lässt sich herab, wenigstens drei konkrete Beispiele ausführlicher zu besprechen, in denen Relativisten auf Schwierigkeiten hinweisen, die Wahrheit® gegen alternative Auffassungen durchzusetzen:

  • So zitiert er die Aussage eines Lakota-Indianers, die Lakota wüssten, sie seien „Nachfahren der Büffelleute. Sie kamen aus dem Inneren der Erde, nachdem übernatürliche Geister diese Welt für die Menschheit vorbereitet hatten. Wenn Nichtindianer glauben wollen, sie stammten von einem Affen ab, sei’s drum. Mir sind noch keine fünf Lakota begegnet, die an die Wissenschaft und die Evolution glauben.“ Boghossian wendet gegen diese – seiner Wahrheit® gegenüber ja immerhin tolerante – Haltung natürlich ein, dass eine solche Auffassung derjenigen, nach der die amerikanischen Ureinwohner „vor ungefähr 10 000 Jahren die Beringstraße überquerten“ (S. 9), allein deshalb unterlegen sein muss, weil es für sie keine Belege gebe. Warum das die Lakota nicht interessiert, wird klugerweise nicht erörtert.
  • Etwas ausführlicher widmet er sich dem Konflikt zwischen Kardinal Bellarmin und Galileo. Bellarmin soll sich bekanntlich geweigert haben, sich von der Richtigkeit der Behauptungen Galileos durch Augenschein zu überzeugen, indem er nicht durch dessen Teleskop blickte. Bellarmin soll die Position vertreten haben, was auch immer er dort zu sehen bekäme, sei unerheblich, da er die Wahrheit über den Aufbau der Welt aus der Heiligen Schrift kenne. Dieses Beispiel spielt sowohl bei Thomas Kuhn als auch bei Richard Rorty eine prominente Rolle. Auch in diesem Fall verweigert Boghossian bereits vor dem Hindernis: Seine Analyse zeigt zuerst auf, dass in diesem Fall die Wahrheit® und die Wahrheit Bellarmins nicht als gleichwertig anzusehen seien, jedenfalls nicht, wenn man die Kriterien der Wahrheit® zugrunde legt. Dann bestreitet er, dass Bellarmin und Galileo tatsächlich prinzipiell unterschiedlichen Weltbildern anhingen – Kuhn spricht unvorsichtigerweise metaphorisch davon, dass sie in verschiedenen Welten gelebt hätte, was Boghossian souverän zu widerlegen weiß –, indem er Kuhns Aussage so allgemein wie möglich auffasst, wodurch sie absurd wird. Wie Galileo das Problem hätte lösen sollen, Kardinal Bellarmin, der in diesem Fall nicht nur über die Wahrheit, sondern auch über die oft mit ihr verbundene Macht verfügte, von der Wahrheit® zu überzeugen, wird klugerweise nicht erörtert.
  • Schließlich setzt Boghossian dazu an, eine Passage aus Ludwig Wittgensteins „Über Gewißheit“ zu diskutieren, in der Wittgenstein den Konflikt einer Gesellschaft, die Orakel befragt, mit einer, die an die Physik glaubt, thematisiert. Allerdings vermeidet Boghossian schließlich doch die abstrakten Fragen Wittgensteins und ersetzt sie durch ein Beispiel aus Edward E. Evans-Pritchards „Hexerei, Orakel und Magie bei den Zande“, von dem er ohne weiteren Nachweis suggeriert, dass Wittgenstein es gekannt haben könnte. Das konkrete Beispiel betrifft die Vererbungslehre männlicher Hexer: Die Zande erzählten den Ethnologen, dass Hexer ihre Fähigkeiten einer Substanz im Magen verdanken, die vom Vater auf den Sohn vererbt werde. Diese Substanz lasse sich im Magen von Hexern nach deren Tod nachweisen. Die Frage der Ethnologen, ob denn aufgrund der Vererbung alle Söhne eines Hexers und wiederum auch deren Söhne usw. Hexer würden, verneinen die Zande. Dies bereitet nun sowohl Evans-Pritchard als auch Boghossian rationale Beschwerden, denn wie können die Zande nur zugleich der Auffassung sein, die Hexer-Substanz werde vom Vater auf den Sohn vererbt und nicht alle Söhne eines Hexer würden zu Hexern? Boghossian erwägt drei mögliche Lösungen für diesen rationalen Konflikt:
    1. Die Zande könnten einen logischen Fehler begehen.
    2. Wir könnten aufgrund mangelhafter Übersetzung falsch verstehen, was die Zande meinen.
    3. Die Zande sind an „den relevanten Sachverhalten nicht sonderlich interessiert“ (S.111).
    Weitere Möglichkeiten kommen ihm beim besten Willen nicht in den Sinn. Wie wäre es aber zum Beispiel damit, dass die Zande durchaus dazu in der Lage sind, allgemeine Regeln zu bilden und zugleich im Sinn zu behalten, dass deren Allgemeinheit ein eher unbestimmtes Konzept darstellt. Ich kenne die Zande nun noch weniger als Boghossian, aber wenn es sich um Farmer handelt, so denken sie bei allgemeinen Regeln über die Vererbung der Hexerei-Substanz vielleicht ähnlich wie beim Herauszüchten bestimmter Eigenschaften in der Tierzucht: Die Eigenschaft wird allerdings vom Vater auf die Söhne übertragen, aber eben nicht immer zuverlässig; es sind immer auch Exemplare im Wurf, bei der die gewünschte Eigenschaft nicht auftaucht. Warum sollte das bei der Vererbung der Hexerei anders sein? Wonach fragen denn diese weißen Trottel eigentlich? Das versteht sich doch von selbst. Aufgrund dieser Sachlage ist es wahrscheinlich zu begrüßen, dass sich Boghossian gar keine Gedanken darüber macht, wie die Zande wohl von der Wahrheit® der westlichen Logik zu überzeugen wären.

Wie man leicht sieht, besteht das Hauptproblem an Boghossians Erörterungen, dass er sich auf den eigentlichen Konflikt, dem der Relativismus zu genügen versucht, gar nicht einlässt. In jedem einzelnen Fall steht ohnehin fest, dass die Wahrheit® der jeweils alternativen Position vorzuziehen und nur die Frage der Herleitung dieser Überlegenheit eventuell noch zu klären ist. Lässt sich der Opponent trotz der offenbaren Überlegenheit der Wahrheit® nicht von ihr überzeugen, kann das getrost auf sich beruhen, da er sich ja im Unrecht befindet, und das ist so ziemlich das schlimmste, was einem nach der Auffassung Boghossians geschehen kann.

Dabei will Boghossian aber durchaus nicht auf einer absoluten Überlegenheit der Wahrheit® bestehen. Er ist bereit, die Möglichkeit einzuräumen, man könne auf eine alternative Wahrheit2 stoßen, die der gerade gültigen Wahrheit® überlegen ist:

Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass uns ein alternatives epistemisches System begegnet, das uns an der Korrektheit unserer eigenen epistemischen Prinzipien zweifeln lässt. Wie sollen wir uns so etwas vorstellen? Nun, wir könnten uns die Begegnung mit einer andersartigen Gesellschaft vorstellen, deren wissenschaftliche und technische Fähigkeiten deutlich fortgeschrittener als unsere wären, obwohl sie fundamentale Aspekte unseres epistemischen Systems ablehnt und alternative Prinzipien befürwortet.

Damit diese Begegnung den erwünschten Effekt haben könnte, müsste dieses alternative epistemische System klarerweise eines aus dem wirklichen Leben sein, mit einer nachweislichen Erfolgsbilanz, und nicht nur eine theoretische Möglichkeit. Seine tatsächlichen Leistungen müssten hinreichend eindrucksvoll sein, um in uns legitime Zweifel an der Korrektheit unseres eigenen epistemischen Systems zu wecken. (S. 105 f.)

Dies ist der ironische Höhepunkt des Traktats: Boghossian rechnet nicht einmal damit, direkt durch die Wahrheit2 oder das ihr zugrunde liegende epistemische System der „andersartigen Gesellschaft“ überzeugt zu werden, sondern die „nachweisliche Erfolgsbilanz“ ihrer „technischen Fähigkeiten“ ist es, die den Ausschlag geben wird. Hier zeigt sich das vollkommene Unverständnis Boghossians für die von ihm tatsächlich vertretene Position: Die primitiven Wahrheiten sind der Wahrheit® deswegen unterlegen, weil die aus der Wahrheit® entspringende Erfolgsbilanz für sich spricht: fabrikmässiger und entmenschlichter Massenmord, 10.000-facher Overkill, Zerstörung der Welt und systematische Vernichtung des Lebens und der Lebensräume, die Menschheit als Pest des Planeten sind es, die für die Wahrheit® sprechen; und wer sich davon nicht überwältigt zeigt, befindet sich schlicht im Unrecht. Und wenn dann die Außerirdischen kommen, die uns en passant im Vollzug unserer Ausrottung nachweisen, dass wir höchstens Kinder in den Augen der Herrscher der Wahrheit2 sind, dann und erst dann ist es Zeit, der Wahrheit® abzuschwören und zu neuen Göttern zu beten, so lange man es noch kann.

Warum diese Angst vor der Wahrheit? Woher kommt dieses Bedürfnis, sich gegen ihre segensreichen Wirkungen schützen zu wollen? (S. 133 f.)

Ja, woher nur?

Paul Boghossian: Angst vor der Wahrheit. Aus dem Amerikanischen von Jens Rometsch. stw 2059. Berlin: Suhrkamp, 2013. Broschur, 164 Seiten. 14,– €.

Robert Louis Stevenson: Die Schatzinsel

Als jüngsten Band in seiner ebenso schönen wie verdienstvollen Reihe von Neuübersetzungen literarischer Klassiker legt der Hanser Verlag mit „Die Schatzinsel“ nach „St. Ives“ einen weiteren Stevenson-Band vor. „Die Schatzinsel“ ist völlig zu Recht Stevensons bekanntester Roman; er war nicht nur ein Bestseller seiner Zeit, sondern hat auch auf unzählige Nachfolger sowohl im Detail als auch der erzählerischen Form nach massiven Einfluss gehabt. Seine Fabel ist exzellent konstruiert und kompakt und ökonomisch erzählt, seine Figuren prägnant und klar motiviert, ohne einem zu simplem Gut-Böse-Schema zu gehorchen, seine Sprache eingängig, ohne simpel oder klischeehaft zu wirken. All dies hat das Buch zu einem der Muster der Abenteuererzählung werden lassen. So wäre es etwa kein kleiner Spaß, einmal alle direkten und indirekten Anspielungen auf die „Schatzinsel“ in Disneys „Pirates of the Caribbean“-Filmen aufzuspüren.

Es ist daher kein Wunder, dass die Neuübersetzung von Andreas Nohl die Fortsetzung einer langen Reihe darstellt, selbst wenn man von allen Ausgaben für die heranwachsende Jugend absieht, die ohne besondere literarische Ansprüche die Handlung paraphrasieren. Erzählt wird, wie bekannt sein dürfte, die Geschichte vom jungen Jim Hawkins, Sohn eines verstorbenen Gastwirts, der aus dem Nachlass eines merkwürdigen, seemännischen Gastes im elterlichen Gasthaus in den Besitz einer Schatzkarte gelangt, auf der das Versteck des Schatzes des berüchtigten Piraten Flint eingetragen ist. Jim findet im Doktor des Dorfes und einem benachbarten Gutsverwalter zwei Unterstützer bei der Suche nach Flints Schatz, die ein Schiff ausrüsten und sich zusammen mit ihm auf den Weg zur Schatzinsel machen. Wie sich herausstellt, besteht ein bedeutender Teil der Besatzung des Schiffes aus Flints alter Mannschaft, die dem eigentlichen Bösewicht des Buches, dem Schiffskoch Long John Silver gehorchen und eine Meuterei inszenieren, sobald man auf der Schatzinsel angekommen ist. Mehr muss von den Abenteuern Jims nicht nacherzählt werden, denn dass es gut ausgeht und die Richtigen am Ende mit dem Schatz nach Hause fahren, versteht sich von selbst.

Um die Neuübersetzung sollte man eigentlich auch nicht viele Worte machen müssen, da es völlig normal ist, dass ein so populärer Text mit schöner Regelmäßigkeit neu übersetzt wird. Nohl selbst betont einmal mehr, seine Übersetzung suche die „größtmögliche Nähe zum Original bei gleichzeitig größtmöglicher Lesbarkeit“. Die Auffassung, dass es Aufgabe des Übersetzers sei, die größtmögliche Lesbarkeit des Textes zu erzeugen, anstatt dem zielsprachlichen Leser einen möglichst genauen Eindruck vom ausgangssprachlichen Text zu vermitteln, hatte mir bereits das Vergnügen an seiner „Tom Sawyer & Huckleberry Finn“-Übersetzung verdorben. Was Lesbarkeit in diesem Zusammenhang überhaupt anderes bedeuten soll als die Vorstellung eines Verlegers von der rezeptiven Dummheit seiner Kunden, bleibt denn auch diesmal unklar. Im Falle der „Schatzinsel“ ist dies nicht ganz so dramatisch, da das englische Original in weiten Teilen schon recht lesbar ist. Dennoch macht sich Nohl Sorgen um „ausgefallene“ nautische Fachausdrücke, die er versucht, in „leichter verständliche“ zu übersetzen. Ob der Reiz der Verwendung ausgefallener Ausdrücke nicht gerade darin liegen könnte, die Fremdheit der Welt an Bord eines Segelschiffs des 18. Jahrhunderts zu erhöhen, wird – zumindest im Nachwort – nicht reflektiert.

Dass Nohl die grammatikalisch oft falsche und stark mit Dialektausdrücken und Verschleifungen durchsetzte Sprache Long John Silvers im Namen der Lesbarkeit verflachen und verharmlosen würde, war nicht anders zu erwarten. Dabei ist er für die sprachliche Ausdifferenzierung des Originals durchaus nicht unempfänglich, wie sich an dem fein gemachten Tonwechsel in den wenigen Kapiteln zeigt, in denen nicht Jim Hawkins, sondern der Doktor als Erzähler fungiert.

Doch bleibt es wenigstens für mich fraglich, ob es bei der Übersetzung eines Romans aus dem 19. Jahrhundert, der zudem noch im 18. Jahrhundert spielt, wirklich glücklich ist, „cooling drinks“ mit dem Wort „Erfrischungsgetränke“ zu übersetzen; oder warum Billy Bones, der im Original den ihn behandelnden Doktor einen „fool“ (Narren) nennt, seine ehemaligen Schiffskameraden aber als „lubbers“ (Trottel) bezeichnet, in Nohls Übersetzung für beide Wörter den Ausdruck „Dösbaddel“ benutzen muss. Ob „gentleman of fortune“, für das es das schöne deutsche Wort „Glücksritter“ gibt, besser mit „Hasardeur“ übersetzt ist, mag noch immerhin Geschmackssache sein. Auch gestehe ich gern zu, dass sich der berühmte Fluch Long John Silvers „shiver my timbers“ nicht recht eindeutschen lässt, aber wenn es denn schon „hau mich der Lukas“ heißen soll – was meiner gänzlich unmaßgeblichen Meinung nach an und für sich schon ganz und gar schrecklich ist –, dann muss es eben auch so heißen und nicht mal so und mal „zum Donnerwetter“ (S. 218) und mal „Donnerkiel“ (S. 254), was nebenbei an anderer Stelle (S. 276) die Übersetzung von „by thunder“ ist. Von Schlampereien des Lektorats wie den missratenen Gradangaben auf Seite 59 und der Erwähnung einer „westlichen Breite“ in der dazugehörigen Fußnote will ich ganz absehen; sicherlich hätte man solche ausgefallenen nautischen Angaben am liebsten ganz aus dem Text fortgelassen.

Leser, denen solche literarischen Feinheiten gleichgültig sind, bekommen – wie immer bei Hanser – ein sehr schön ausgestattetes Buch mit einer weitgehend akzeptablen, modernen und lesbaren Übersetzung. Wir anderen gehen ins Antiquariat oder hoffen darauf, dass sich doch wieder einmal ein Verleger besinnt, die Übersetzung Friedhelm Rathjens (Haffmans, 1997) zum Druck zu befördern.

Robert Louis Stevenson: Die Schatzinsel. Aus dem Englischen von Andreas Nohl. München: Hanser, 2013. Leinen, Fadenheftung, bedrucktes Vorsatzpapier, Lesebändchen, 383 Seiten. 27,90 €.

Allen Lesern ins Stammbuch (63)

Für alle Länder zeigt sich, dass nur sehr wenige Erwachsene die höchste Stufe der Lesekompetenz (Stufe V) erreichen. Sowohl im Durchschnitt über die beteiligten OECD- Länder als auch in Deutschland befindet sich weniger als 1 % der Bevölkerung auf dieser Stufe und ist somit in der Lage, mit sehr komplexen Leseanforderungen umzugehen. Im OECD- Durchschnitt erreichen immerhin 11 % der Personen (10 % in Deutschland) die Kompetenzstufe IV und können lange und schwierige, aber in Abgrenzung zu Stufe V etwas weniger komplexe Texte verarbeiten. Der Anteil der Personen, der diese Kompetenzstufe erreicht, variiert stark zwischen den Ländern: Während in Japan und Finnland etwa ein Fünftel der jeweiligen Bevölkerung Kompetenzstufe IV erreicht, liegt der Anteil in elf der 23 Länder bei unter einem Zehntel, davon in Spanien und Italien sogar unter 5 %.

Demgegenüber findet sich in allen Ländern ein nicht unerheblicher Anteil Erwachsener im unteren Bereich der Lesekompetenz, das heißt auf oder unter Stufe I. Diese Personen können nur kurze Texte mit eher einfachem Grundwortschatz und übersichtlicher Struktur lesen. Im OECD-Durchschnitt verfügen rund 16 % der Erwachsenen über eine Lesekompetenz im unteren Bereich, wobei sich die entsprechenden Anteile in den einzelnen Ländern deutlich unterscheiden. Während in Deutschland der Anteil mit rund 18 % vergleichsweise nahe am OECD-Durchschnitt liegt, beläuft er sich in Japan auf unter 5 %. In Spanien und Italien finden sich mit jeweils über 25 % hingegen sehr hohe Anteile auf oder unter Stufe I.

Quelle: Beatrice Rammstedt (Hrsg.)
Grundlegende Kompetenzen Erwachsener im
internationalen Vergleich. Ergebnisse von PIAAC 2012
S. 42 f.

Aus meinem Poesiealbum (XVIII) – Bildung

Die ganze Welt ist voll gelahrter Männer, hochbelesener Lehrer, voll reichbegabter Büchersäl, und dünket mich daß eine solche Bequemlichkeit der Studien wie man itzo siehet, weder zu Plato noch Cicero Zeiten, noch Papiniani gewesen sey. Und wird sich künftig in Gesellschaft gar keiner mehr herfürtraun dürfen, der nicht in der Minerva Werkstatt recht aus dem Grund poliret ist. Ich seh, es sind die Strassenräuber, Stallbuben, Waghäls und Henkersknecht itzund gescheiter als die Doctoren und Prediger zu meiner Zeit.

François Rabelais
Gargantua und Pantagruel

Ilija Trojanow: Der überflüssige Mensch

Trojanow-MenschDas Einreise-Verbot der USA für Ilija Trojanow, der wohl zu einem Germanisten-Kongress unterwegs war, ist ein schöner Anlass, sein gerade erschienenes Buch zu lesen. Trojanow ist einer jener jüngst so vehement angeforderten kritischen Schriftsteller, die sich mit dem jeweils rezenten gesellschaftlichen und politischen Elend auseinandersetzen. Bei Trojanow ist der Kern des derzeitigen Übels – wenig originell – der Kapitalismus, wobei der Begriff bei ihm wie fast überall sonst, wo er gebraucht wird, gleich zweifach mangelhaft bleibt: Weder wird an irgendeiner Stelle des Büchleins auch nur ansatzweise versucht zu definieren, was denn Kapitalismus sein soll, noch wird uns an irgendeiner Stelle eine moderne, praktikable Form des Wirtschaftens vorgestellt, die – und sei es auch nur in der Theorie – nichtkapitalistisch funktioniert. Offenbar ist solche Genauigkeit unter den Teilnehmern des großen kritischen Stammtischs unnötig: Alle wissen ohnehin Bescheid darüber, was genau Kapitalismus ist und wie er funktioniert.

Natürlich sieht sich jeder Gutwillige genötigt, Trojanows Einsichten ins Elend zuzustimmen: Die Folgen des Kapitalismus sind für einen zunehmend größer werdenden Anteil der Menschheit höchst nachteilig: Hartz-IV-Empfängern und jenen, die in der sogenannten Dritten Welt auf den Müllkippen um ihr Überleben kämpfen, geht es schlecht – vielleicht nicht gleich schlecht, aber es könnte hier wie dort besser sein. Dies liegt offensichtlich an der ungerechten Verteilung des vorhandenen Geldes (Trojanow spricht zwar von Reichtum oder Vermögen, meint am Ende aber faktisch nur Geld, nicht Kapital) sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Abgesehen von Feinheiten geht es jenen schlecht, die wenig Geld haben, und jenen gut, die über viel davon verfügen. Unter denen, denen es schlecht geht, geht es vielen noch schlechter als anderen; unter denen, denen es gut geht, geht es einigen wenigen so gut, dass es leider nicht mehr besser gehen kann. Einige von denen, denen es gut geht, meinen nun, dass man eigentliche keine Leute braucht, denen es schlecht geht, und man auf solche Leute auch gut verzichten könnte. Der einfachste Weg, auf diese Leute zu verzichten, ist, sie abzuschaffen. Solche Leute plädieren  in einem „erstaunlichen posthumanitären Cocktail aus neomalthusianischen und fundamentalistisch sozialdarwinistischen Positionen“ für eine Reduktion der Weltbevölkerung. Soweit die Analyse.

Als Prognose sagt Trojanow – ganz entlang der Linie der Marxschen (der natürlich an keiner Stelle auch nur erwähnt wird!) Akkumulations- und Verelendungstheorie – eine Zunahme des revolutionären Potenzials voraus. Was das Ziel der angeblich heraufdämmernden Revolution angeht, redet er sich mit einem Zitat von Georgi Konstantinow heraus: „In einem solchen revolutionären Moment ist es unmöglich, die Richtung der Veränderung vorherzusagen.“ Trojanow lässt dem noch eine etwas flach geratene Betrachtung über die modischen apokalyptischen Phantasien Hollywoods folgen, um sich abschließend unter der Überschrift „Auswege“ zu folgender Forderung aufzuschwingen:

Wir müssen uns unverzagt vorstellen, wie eine bessere Gesellschaft und ein tatsächlich gerechtes und nachhaltiges Wirtschaften aussehen können. Wir benötigen utopische Entwürfe, wir brauchen Träume, wir müssen Verwegenes atmen. [Hervorhebungen nicht im Original.]

Dies ist die konzise Zusammenfassung des momentanen Elends der Gesellschaftskritik: Die einzige wenigstens halbwegs ordentliche politische Utopie der Verteilungsgerechtigkeit, zu der sich die Moderne hat verdichten können, ist nicht nur 150 Jahre alt, sie ist auch durch einen nach ihr benannten praktischen Versuch derartig desavouiert worden, dass man den Namen ihres Begründers heute besser nicht einmal erwähnen sollte, um sich nicht sogleich dem Spott der politischen Kleingeister auszusetzen. Eine andere theoretisch fundierte und mit Blick auf eine menschliche Praxis ausgearbeitete Utopie für eine gerechte oder auch nur gerechtere Gesellschaft fehlt.

Ich könnte nun darauf hinweisen, dass all dies nur dann tatsächlich ausreichend durchdrungen werden kann, wenn man sich auf die Kantische Einsicht besinnt, dass beinah alles philosophische Fragen letztlich in die Frage „Was ist der Mensch?“ mündet. Eine Frage, deren Antwort tatsächlich so unausdenklich ist, dass jeder, der eine Antwort auch nur versucht, sich allein deshalb schon dem Verdacht aussetzt, Unrecht zu haben. Und ich könnte darauf hinweisen, dass der andere, fast ebenso radikale Utopist des 19. Jahrhunderts uns heftig auf die Einsicht hingestoßen hat, dass der Mensch ein halbgares Zwischenprodukt darstellt, ein Wesen, das zwar die Idee der Gerechtigkeit erfassen kann, zu ihrer Realisierung wenigstens im Großen aber noch gänzlich unfähig zu sein scheint. Und schließlich kann es kein gutes Zeichen sein, dass wir – vielleicht mit der Ausnahme von John Rawls – in unserer Diskussion des Elends, in dem wir uns vorgefunden haben, immer noch nicht wesentlich über das 19. Jahrhundert hinausgekommen sind.

Angesichts dieser desolaten Lage ist es schon fast wieder tröstlich, dass Trojanows Kritik mit einem Lob der Vita contemplativa – im Sinne des Aristoteles, nicht Benedikts – ausklingt:

Selten halten wir inne, nehmen Auszeit von einem rasanten Alltag aus Pflicht und Unterhaltung, sitzen am Ufer oder schwingen auf der Schaukel, der Kontemplation zugetan oder einfach nur dem Nichtstun.

Ilija Trojanow: Der überflüssige Mensch. St. Pölten u. a.: Residenz, 2013. Kindle-Edition, 324 KB, 96 Seiten (gedruckte Ausgabe). 9,99 €.

Allen Lesern ins Stammbuch (62)

Aber das alles schreiben, seine Gedanken und seine Seele auf diesen Kleinkram verschwenden, die Überzeugungen wechseln, mit Geist und Phantasie Handel treiben, seine Natur vergewaltigen, sich aufregen, brennen, keine Ruhe kennen und immer irgendwohin unterwegs sein … Und nichts als schreiben und schreiben, wie ein Rad, wie eine Maschine: morgen schreiben, übermorgen; ob es Feiertag ist oder Sommer wird – er muss in einem fort schreiben. Wann spannt er denn mal aus und erholt sich? Der Unglückliche!

Iwan Gontscharow
Oblomow

Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki

Ich finde dieses Buch unerträglich, das ist ein unerträgliches Buch! Es ist – ich spüre es, da ist was Poetisches, was Balladeskes, was Bemühtes. Es sind lauter Mythen, die da konstruiert, zitiert und erfunden werden, mit Frauen, aus denen Pferde werden, mit der großen Einsamkeit und dem einsamen Dorf im Norden. Es wird immer gesagt, 1.100 Kilometer nördlich von Stockholm. Mir ist das vollkommen fremd! Es lässt mich ganz kalt! Es langweilt mich! Ich spüre, das ist keine schlechte Literatur, aber es ist mir gänzlich fremd.

Friedrich von Borries: RLF

Alle Wege führen unweigerlich
in die Perversität
und in die Absurdität
Wir können die Welt nur verbessern
wenn wir sie abschaffen
Thomas Bernhard
Der Weltverbesserer (1978)

Borries-RLFBücher, nach deren Lektüre man sich nicht sicher ist, ob es sich beim Autor um einen Volldeppen handelt, sind vielleicht nicht die schlechtesten. Die besten sind es aber sicherlich nicht.

„RLF“ – die drei Buchstaben stehen für „das richtige Leben im falschen“, einer Negation eines zum Schlagwort verkommenen Satzes von Adorno; der Anklang an die RAF ist beabsichtigt und fast noch das Netteste am ganzen Buch – erzählt die Geschichte von Jan, einem ganz normalen, notgeilen Arschloch aus der Werbebranche, der von ein paar Möchtegern-Revolutionären dazu benutzt wird, um an Geld zu kommen. Um ihn wieder loszuwerden, lässt ihn der Autor am Ende besoffen vom Balkon eines Luxushotels in Venedig fallen. Ist nicht schade drum.

Jan wird auf den grandiosen Einfall gestoßen, die Revolution als kapitalistisches Kunstwerk zu vermarkten. Zu diesem Zweck tut er, was er am besten kann: voller Pathos dummes Zeug quatschen. Das ganze Buch bewegt sich mit seinen Pappkameraden knapp unterhalb des Reflexionsniveaus von „Narziß und Goldmund“. Auch nur für einen Moment zu versuchen, sein substanzloses Gewäsche mit Adorno in Beziehung zu setzen, hieße, es maßlos zu überschätzen. So wie die Welt.

Unterbrochen wird die Fiktion durch Auszüge aus Interviews mit tatsächlichen Revolutionären der heutigen Zeit zur Frage nach der Möglichkeit des richtigen Lebens im falschen (das Falsche ist bei Adorno übrigens die Inneneinrichtung). Ein paar von ihnen haben auch etwas zu sagen. Zwei scheinen sogar irgendwann einmal Adorno gelesen zu haben.

Wohlgemerkt: Es könnte sich bei alle dem auch um eine Satire handeln; wirklich zu erkennen ist das nicht. Ich fürchte aber, dass der Autor irgend etwas ernst meint; nur was er ernst meint, steht nicht im Buch. Ist auch nicht nötig, verkauft sich auch so, wenn nur richtig Werbung gemacht wird. Bei Suhrkamp. Um 13,99 €.

Friedrich von Borries: RLF. Das richtige Leben im falschen. Berlin: Suhrkamp, 2013. Klappenbroschur, 252 Seiten. 13,99 €.

Theodor Fontane: Frau Jenny Treibel

Es ist ein Elend mit den Äußerlichkeiten.
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Die dritte Wiederlektüre eines Frauen-Romans von Fontane im Rahmen einer kleinen, didaktisch begründeten Reihe. Nach „Mathilde Möhring“, das im Kleinbürgertum spielt, und „Effi Briest“, dem adligen Pendant, nun also das preußische Großbürgertum und die kleine Gelehrtenwelt eines Gymnasialprofessors, der allerdings damals noch etwas galt.

Erzählt wird der Konflikt zwischen der Titelfigur, einer an der Oberfläche schwärmerischen und sentimentalen, in der Substanz aber knochentrockenen Fünfzigerin, die sich aus einfachen Verhältnissen nach oben geheiratet hat, und Corinna Schmidt, der Tochter eines Gymnasialprofessors, die es sich in den Kopf gesetzt hat, ihr zukünftiges Wohlleben dadurch zu sichern, dass sie sich von Jennys Sohn Leopold heiraten lässt. Jenny will Corinna gleich aus mehreren Gründen nicht in der Familie haben: Zum einen wäre ihr die ständige Erinnerung an ihren eigenen gesellschaftlichen Aufstieg zuwider, zum anderen ist Corinna so eigenständig und intellektuell überlegen, dass Jenny kaum hoffen kann, jemals bedeutenden Einfluss auf sie oder ihren Sohn zu nehmen, sollten die beiden heiraten. Wie oft beim grundpessimistischen Fontane, setzen sich die bösen Absichten durch. Man fühlt sich unwillkürlich an die Zusammenfassung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Preußen durch Doktor Wrschowitz in „Der Stechlin“ erinnert:

Oberklasse gutt, Unterklasse serr gutt, Mittelklasse nicht serr gutt.

Da der alte Meister aber genau wusste, was sein Publikum von ihm erwartete, hat er zum Ausgleich ein Komödienende hinzuerfunden: Der weichliche Leopold bleibt unter der Knute seiner Mutter und kommt zusätzlich unter die einer von allen Familienmitgliedern ungeliebten Ehefrau, Corinna aber heiratet den ihr sowieso immer schon zugedachten Vetter und Junggelehrten Marcell Wedderkopp, der ihr wenigstens einigermaßen wird Paroli bieten können. So weit, so gehöft.

Der Roman ist ein leichte und angenehme Lektüre. Zu bewundern ist aber die höchste Ökonomie, mit der das Buch geschrieben wurde: Exposition, Schürzen des Knotens und Durchführung des Konflikts sind von einer solchen Stringenz, dass das alles mehr der Konzeption eines Theaterstücks ähnelt als einem auf epische Breite angelegten Roman. Sicherlich: Für ein Bühnenstück sind die Nebenfiguren etwas zu zahlreich und ausführlich geraten, auch sind einige Lokalitäten nicht wirklich bühnentauglich, aber was die Konstruktion des ganzen angeht, hat Fontane offenbar bei den Dramatikern einiges gelernt. Die Exposition wird mit der Beschreibung eines einzigen Tages erledigt, eigentlich beinahe nur durch die Beschreibung zweier Abendgesellschaften: Eine im Hause Treibel, die dem gesellschaftlichen Glanz des Hauses und der politischen Karriere des Hausherrn förderlich sein soll, eine in der Wohnung Professor Willibald Schmidts, der mit ein paar Kollegen einen vergnügten Abend bei Oderkrebsen und Schliemannschen Ausgrabungen begeht. Die Beschreibung dieses ersten Tags macht die ersten ⅖ des Romans aus, und alles, was folgt ist nur die konsequente Durchführung der in diesem ersten Teil angelegten Themen.

Wieder einmal durfte ich feststellen, dass ich Fontane umso mehr schätze, je älter ich werde.

Theodor Fontane: Frau Jenny Treibel. Große Brandenburger Ausgabe. Das erzählerische Werk, Bd. 14. Berlin: Aufbau Verlag, 2005. Leinenband, Fadenheftung, Lesebändchen, 374 Seiten. 24,90 €.