Aus meinem Poesiealbum (XI) – Computer

now it’s computers and more computers
and soon everybody will have one,
3-year olds will have computers
and everybody will know everything
about everybody else
long before they meet them
and so they won’t want to meet them.
nobody will want to meet anybody
else ever again
and everybody will be
a recluse
like i am now.

Charles Bukowski

Fernando Pessoa: Ein anarchistischer Bankier

978-3-8031-1236-1Kleiner dialogischer Essay um einen Anarchisten, der aus lauter Konsequenz zum Egoisten und aus lauter Egoismus zum Bankier geworden ist. Wahrscheinlich ist es ironisch gemeint, wahrscheinlich auch politisch, vielleicht sogar humoristisch. In jedem Fall ist es aber unerheblich, da keiner der verwendeten Grundbegriffe – Natur, Freiheit, Gesellschaft, Fiktion, Anarchie, Tyrannei, Egoismus – auch nur im Ansatz definiert wird. Von daher bleibt alles im Bereich der Beliebigkeit kaffeehäuslichen Intellektuellengebrummels. Wer sowas mag, um sich einen sonnigen Nachmittag im Garten seines Häuschens in der Toscana zu vertreiben, dem sei es empfohlen. Die anderen mögen die Zeit sinnvoller nutzen.

Fernando Pessoa: Ein anarchistischer Bankier. Übersetzt von Reinhold Werner. Berlin: Wagenbach, 2006. Leinen, Fadenheftung, 89 Seiten. 13,90 €.

Allen Lesern ins Stammbuch (41)

Mag dem indeß sein, wie ihm wolle, so bleibt es doch heut zu Tage mit der Dichterei überall bedenklich, weil es so wenig Verrückte mehr giebt, und ein solcher Überfluß an Vernünftigen vorhanden ist, daß sie aus ihren eigenen Mitteln alle Fächer und sogar die Poesie besetzen können. Ein rein Toller, wie ich, findet unter solchen Umständen kein Unterkommen. Ich gehe deshalb auch nur jetzt blos noch um die Poesie herum, das heißt, ich bin ein Humorist worden, wozu ich als Nachtwächter die meiste Muße habe. –

»Nachtwachen« von Bonaventura

Antonio Tabucchi: Die letzten drei Tage des Fernando Pessoa

978-3-446-23107-8Kurze biografische Erzählung, deren Inhalt der Titel bereits umreißt. Die Erzählung beginnt mit der Fahrt Pessoas ins Krankenhaus am Abend des 28. November 1935 und endet mit seinem Tod aufgrund einer Leberzirrhose am 30. In dieser Zeit wird er von den wichtigsten seiner Heteronyme besucht: Álvaro de Campos, Alberto Caeiro, Bernardo Soares, Ricardo Reis und António Mora kommen einer nach dem anderen, um sich von ihrem Autor zu verabschieden. Dabei erlaubt sich Tabucchi besonders bei Ricardo Reis massive Eingriffe in dessen Biografie: Er sei gar nicht, wie Pessoa bestimmt hat, nach Brasilien ausgewandert, sondern sei aufs Land gezogen und habe sein Leben als Provinzarzt verbracht. Warum Tabucchi versucht, Reis als Angeber hinzustellen, wird aus der Erzählung heraus nicht klar; ich bezweifle auch sehr, dass er erhebliche Gründe dafür hat.

Wie in vielen Fällen von biografischen Fiktionen überzeugt auch diese am Ende nicht. Das beginnt mit der immer problematisch bleibenden Notwendigkeit, die Voraussetzungen der geschilderten Situation in den personal gehaltenen Text einzuflechten, was dazu führt, dass man den Protagonisten lauter Sachen denken und sagen lässt, die normalerweise in seinem Kopf nichts zu suchen hätten. Und das endet nicht bei der Frage, für wen – außer dem Autor – eine solche Erzählung eigentlich gedacht sein soll: Der uniformierte Leser versteht den Witz nicht, der informierte zuckt mit den Schultern und vergisst es gleich wieder.

Antonio Tabucchi: Die letzten drei Tage des Fernando Pessoa. Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Edition Akzente. München: Hanser, 1998. Broschur, 67 Seiten. 9,90 €.

Antonio Tabucchi: Wer war Fernando Pessoa?

978-3-446-20963-3Kleine, aber höchst nützliche Aufsatzsammlung zu Fernando Pessoa, die auch zum Einstieg in die Auseinandersetzung mit diesem Autor sehr geeignet ist. Die meist kurzen Aufsätze sind thematisch vom Allgemeinen zum Besonderen hin sortiert: Es beginnt mit einer recht ausführlichen Darstellung von Pessoas Leben und Werk, gefolgt von einer Übersicht über die Heteronyme und ihre Werkanteile, Porträts einiger der Dichterpersönlichkeiten,  die Pessoa in sich erzeugt hat, und geht schließlich zu spezielleren Fragen über. Und obwohl Tabucchi Literaturwissenschaftler ist, sind diese Aufsätze frei von Jargon und theoretischem Gehabe. Ergänzt wird das Büchlein durch eine kleine Auswahl von Texten Pessoas, auf die in den Aufsätze Tabucchis Bezug genommen wurde.

Alles in allem ein musterhaftes kleines Büchlein, das einen schnellen und kompetenten Zugang zum Werk dieses anspruchsvollen, portugiesischen Schriftstellers eröffnet.

Antonio Tabucchi: Wer war Fernando Pessoa? Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Edition Akzente. München: Hanser, 1992. Broschur, 156 Seiten. 14,90 €.

Helmut Siepmann: Kleine Geschichte der portugiesischen Literatur

3-406-49476-5Eine für eine kleine Geschichte schon recht umfangreiche und, soweit ich das beurteilen kann, vollständige Darstellung der portugiesischen Literatur mit dem üblichen Schwergewicht auf dem 20. Jahrhundert. Alle wichtigen Autoren werden ausführlich behandelt, zentrale Werke sowohl inhaltlich referiert als auch kultur- und geistesgeschichtlich verortet. Eine gute Einführung, die aber deutlich für Studenten der Romanistik geschrieben wurde, so dass der Laie vielleicht für einzelne Begriffe den Übersetzer von Google zur Hilfe nehmen muss.

Dass dieses Buch weit und breit die einzige umfangreiche Darstellung zur Geschichte der portugiesischen Literatur ist und offensichtlich nach dem Erstdruck nicht noch einmal aufgelegt wurde, zeigt einmal mehr, welch stiefmütterlichen Platz die Literatur Portugals im Bewusstsein der sonst so weltoffenen deutschen Leser immer noch einnimmt.

Helmut Siepmann: Kleine Geschichte der portugiesischen Literatur. Beck’sche Reihe 1547. München: C. H. Beck, 2003. 320 Seiten. Zurzeit nur antiquarisch lieferbar.

Ángel Crespo: Fernando Pessoa

3-250-10282-2 Crespos Buch ist die umfangreichste Biografie des portugiesischen Schriftstellers Fernando Pessoa, die auf Deutsch vorliegt. Sie ist erstmals 1988 in Barcelona erschienen und wurde 1996 auf Deutsch vorgelegt, wohl schon mit Blick auf die Frankfurter Buchmesse 1997, bei der Portugal Gastland war. Die von mir gelesene deutsche Erstausgabe ist sprachlich an einigen Stellen sehr mangelhaft; ob und wie weit das in der »korrigierten« Taschenbuchausgabe bei Fischer 1998 behoben wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

Das Buch ist für einen deutschen Leser, der sich nicht schon zuvor mit der portugiesischen Literatur auseinandergesetzt hat, keine leichte Kost, da Crespo einige literarhistorische Kenntnisse schlicht voraussetzt. So werden Begriffe wie z. B. Saudosismus oder Paulismus weitgehend als bekannt vorausgesetzt. Dem gemeinen deutschen Leser empfehle ich daher, sich durch die Lektüre einer portugiesischen Literaturgeschichte (etwa der von Helmut Siepmann) etwas vorzubereiten. An anderen Stellen gewinnt man allerdings den Eindruck, dass auch Crespo nicht so genau weiß, worüber Pessoa gerade redet, was ihn  allerdings nicht hindert, sich seitenweise darüber auszulassen.

Auch was die Darstellung des Werks Pessoas angeht, wünschte man sich an vielen Stellen weniger abgehobenes Palaver und mehr konkrete Information. So findet sich an keiner Stelle eine systematische Darstellung aller von Pessoa verwendeten Heteronyme. Der Leser würde gerne erfahren, welche Heteronyme Pessoa überhaupt verwendet hat, in welcher Reihenfolge sie wahrscheinlich entstanden sind, welche biografischen Daten über sie vorliegen und welche Charakteristika ihre Werke voneinander unterscheidet. Ich will nicht sagen, dass sich nicht ein bedeutender Teil dieser Informationen im Buch finden lässt, nur eben hier und da, so wie es dem Autor gerade in den Sinn gekommen ist.

Wie schon angedeutet, verbessert sich diese Lage auch dadurch nicht, dass zumindest die deutsche Erstausgabe sehr flüchtig übersetzt und produziert worden ist. Es finden sich zahlreiche schlicht ungrammatikalische Sätze, die weder dem Übersetzer noch dem Lektorat hätten entgehen dürfen.

Insgesamt ein recht schlechtes Buch, das aber leider im deutschen Sprachraum konkurrenzlos geblieben zu sein scheint. Beide Ausgaben sind inzwischen lange vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.

Ángel Crespo: Fernando Pessoa. Das vervielfältigte Leben. Aus dem Spanischen und Portugiesischen von Frank Henseleit-Lucke. Zürich: Ammann, 1996. Pappband, 496 Seiten, davon 16 mit Abbildungen.

Volker Hage (Hg.): Max Frisch

978-3-518-42212-0Umfangreiche Bild-Biografie anlässlich des 100. Geburtstags Frischs. Der Band enthält rund 300 Fotos, großteils in Schwarz-Weiß, die die gesamte Lebensspanne Frischs dokumentieren. Begleitet werden die Fotos durch sparsame, aber informative Texte, die einmal mehr Hages Kennerschaft belegen. Außerdem findet sich im Anhang drei umfangreiche Interviews, die Hage 1981 und 1982 mit Frisch geführt hat.

Im Gegensatz zu den üblichen Biografien, die in einem Jubiläumsjahr erscheinen, erschöpft sich dieses Buch nicht in der Wiederholung des längst anderswo schon Gesagten, sondern liefert einen kurzen und präzisen Überblick über das Leben Frischs.

Volker Hage (Hg.): Max Frisch. Sein Leben in Bildern und Texten. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2011. Pappband, Fadenheftung, 259 Seiten Kunstdruckpapier mit rund 300 Abbildungen. 24,90 €.

Zum 100. Geburtstag von Max Frisch

WASHINGTON SQUARE

die Schachspieler an den öffentlichen Steintischen mit dem wetterfesten Schachmuster, darüber Grün mit Vogelzwitschern. Oft bleibe ich lange da stehen, aber immer nur stehen; ich setze mich nicht. Heute hat mich einer gefragt, ein Schwarzer, ob ich Lust habe zu einer Partie. Kein sehr guter Spieler, wie ich vorher bemerkt habe, und trotzdem wage ich’s dann nicht. Kann ich mir keine Niederlagen leisten? Oder keinen Sieg? weil er nichts bewirkt; im Gegenteil, nachher klafft das Bewußtsein meines häuslichen Versagens –

Montauk
GW 6, 629