Am 20. Dezember 1963 wurde das Hauptverfahren im 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess eröffnet. Es wurden insgesamt 183 Verhandlungstage bis zum 20. August 1965. Bereits am 05. Mai 1965 informiert der Suhrkamp Verlag in einem Rundschreiben darüber, dass er Die Ermittlung von Peter Weiss zu einer »allgemeinen Uraufführung am 19. Oktober« freigebe. Dies führte zu einer sogenannten Ringuraufführung an insgesamt 15 Theatern in der BRD (4 Bühnen) und der DDR (11 Bühnen). Eine dieser Aufführungen war eine szenische Lesung der ostdeutschen Akademie der Künste im Saal der DDR-Volkskammer in Berlin. Diese Lesung, die unter Beteiligung beträchtlicher Prominenz stattfand, hat sowohl in der DDR als auch in der BRD – verständlicherweise unter verschiedenen Vorzeichen – eine große Resonanz erzeugt. Das Fernsehen der DDR hat die Lesung komplett aufgezeichnet und sowohl in Ausschnitten als auch komplett ausgestrahlt.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat nun in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Rundfunkarchiv in Potsdam und der Akademie der Künste Berlin eine verdienstvolle Doppel-DVD herausgebracht: Eine DVD-ROM enthält eine ausführliche Dokumentation (Texte, Hör- und Video-Dokumente) zur Entstehung des Stückes, der szenischen Lesung in der Volkskammer im besonderen, des gesellschaftlichen, politischen und kulturkritischen Umfelds der Aufführungen sowie der Debatten vor und nach den Aufführungen sowohl im Osten als auch im Westen. Eine Video-DVD präsentiert die komplette Lesung in der Volkskammer. Die Dokumentation ist erstaunlich reichhaltig und zeigt, dass nur wenige Stimmen sich dem allgemeinen Tenor der Diskussion entzogen haben. Im Westen war die Diskussion durch die Kritik bestimmt, dass das Stück das Thema Auschwitz unzureichend behandle, wenn auch hier und da der Hinweis fällt, dass das Stück das Phänomen Auschwitz gar nicht behandle, sondern den Frankfurter Prozess. Im Osten dagegen ermüdet bald der Hinweis darauf, dass eigentlich die westdeutsche Großindustrie auf die Anklagebank gehöre, so richtig auch der Prozess gegen die Angeklagten gewesen sein, wenn auch die Strafen zu milde ausgefallen seien. Hier und da finden sich allerdings durchaus auch originelle und weiterführende Gedanken.
Kulturhistorisch stellt die Auseinandersetzung mit dem Stück von Peter Weiss einen wichtigen Schritt in der BRD-Debatte der 60er-Jahre über die Bewältigung der NS-Vergangenheit dar. Besonders die nur wenige Jahre später sich ausbildende Studenten- und Jugendbewegung hat aus dem Mangel der Elterngeneration, sich diesem Thema zu stellen, einen erheblichen Anteil ihrer Dynamik bezogen. Es ist daher sehr spannend zu verfolgen, wie sich nur wenigen Jahre zuvor das etablierte und das kritische Kulturmanagement mit dieser Frage auseinandergesetzt hat.
Da die beiden DVDs zum Spottpreis von 6,– € inklusive Versand von der Bundeszentrale für politische Bildung angeboten werden, ist jeder und jedem ans Herz zu legen, sich diese Doppel-DVD zu besorgen!
Auschwitz auf der Bühne. Peter Weiss | »Die Ermittlung« in Ost und West. Hg. v. der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv Potsdam und der Akademie der Künste Berlin. 2 DVDs. 6,– €.
Die DVD-ROM bedarf keiner Installation. Sie läuft ab Windows 2000 bzw. MAC OS X ab 10.3.8, Prozessor ab Pentium 2 bzw. Apple Power PC G4, Arbeitsspeicher ab 256 MB. Texte können als pdf exportiert werden, aus denen dann per cut & paste Textzitate kopiert werden können.
Bitte beachten Sie, dass die Lizenzausgaben der Bundeszentrale für politische Bildung immer nur für kurze Zeit lieferbar sind.