Ein Buch vom Sterben des Vaters. Arno Geiger erzählt von der Entwicklung der Demenzerkrankung seines Vaters und von seinem langsam Schwinden aus der Welt. Es ist zugleich eine berührende Liebeserklärung an den Vater, den Arno Geiger schon fast für sich verloren geglaubt hatte, zu dem aber aber durch die Krankheit einen Weg zurück findet. Was die Krankheit des Vaters den Sohn lehrt, ist Geduld zu haben und die Bereitschaft zu entwickeln, in der Welt des Vaters zu leben, da der nicht mehr in die des Sohnes wechseln kann. Der Schriftsteller lernt die aus der Demenz heraus entwickelte neue Sprache des Vaters schätzen, findet in ihr schließlich auch den ursprünglichen Charakter des Vaters wieder, den er schon verloren geglaubt hatte. Ja, es ist sogar so, dass die Familie, die sich schon weit auseinandergelebt hatte, aufgrund der Krankheit des Vaters wieder näher zusammenrückt.
Nebenbei fallen natürlich auch einige Betrachtungen über Krankheit und Tod im allgemeinen ab:
Das Alter als letzte Lebensetappe ist eine Kulturform, die sich ständig verändert und immer wieder neu erlernt werden muss. Und wenn es einmal so ist, dass der Vater seinen Kindern sonst nichts mehr beibringen kann, dann zumindest noch, was es heißt, alt und krank zu sein. Auch dies kann Vaterschaft und Kindschaft bedeuten, unter guten Voraussetzungen. Denn Vergeltung am Tod kann man nur zu Lebzeiten üben.
Oder:
In der Zeitung heißt es, dass Kakerlaken auf dem Bikini-Atoll Atombombentests überlebt haben und dass sie am Ende auch die Menschheit überleben werden. Schon wieder etwas, das mich überleben wird. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass mich der Wein und die Mädchen überleben werden. Aber dass es Kakerlaken geben wird, die sich ihres Lebens erfreuen, während ich habe abtreten müssen, das schmerzt ein wenig.
Ein berührendes Buch, das die Vorwürfe, die ihm in einigen Feuilletons gemacht wurden, durchaus nicht verdient hat.
Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil. München: Hanser, 2011. Pappband, 189 Seiten. 17,90 €.