Karl-Wilhelm Weeber: Schöner schimpfen auf Latein

Vielleicht angeregt durch das Buch von Dennis Pausch legt der Vielschreiber zur Antike Karl-Wilhelm Weeber auch ein Bändchen zum lateinischen Schimpf- und Schmutzwortschatz vor. Seine Auswahl ist etwas breiter angelegt, seine Erklärungen sind konziser und daher ist das Buch alles in allem deutlich unterhaltender geraten.

Insbesondere die Kapitel über den Wortschatz zur Sexualität machen deutlich, wie Schambegriffe und Schamgrenzen zwar universell zu sein scheinen, sich diese Grenzen im Detail aber durchaus an recht unterschiedlichen Stellen finden.

Im Gegensatz zum Buch von Pausch ist Weebers Büchlein durchaus als Vademecum geeignet und kann wohl auch von Lesern ohne große Vorkenntnis der römischen Kultur mit Genuss gelesen werden.

Karl-Wilhelm Weeber: Schöner schimpfen auf Latein. RUB 14308. Stuttgart: Reclam, 2022. Broschur, 128 Seiten. 8,– €.

Dennis Pausch: Virtuose Niedertracht

Erklärter Witz ist nicht mehr spitz.

Volksmund

Beim großen Herbert Rosendorfer heißt es über umständliche Witze:

Auf der Fahrt erzählte er Schnurren aus dem Berufsradrennfahrer-Leben, wobei die Pointe meist allerdings darin bestand, daß irgendjemand, den zwar Onkel Jeremy gut kannte, der aber seinen Zuhörern fremd war, bei irgendeiner Gelegenheit – deren Komik, da aus dem Radrennfahrer-Leben gegriffen, ausführlicher Erläuterungen bedurfte – irgend etwas sagte, wobei Onkel Jeremy, um die Pointe verständlich zu machen, erklären mußte, was man von dem Betreffenden eigentlich gesagt erwartet hätte.
– Eines, sagte Arthur Saingral später, ist gut, wenn einer recht umständliche Witze erzählt: er kann nicht viele erzählen.

Herbert Rosendorfer: Der Ruinenbaumeister. München: Nymphenburger, 1980. S. 262.

Dennis Pausch hat ein ganzes Buch solch umständlicher Witze geschrieben. Nicht, dass es uninteressant geraten wäre. Im Gegenteil: Für jemanden, der sich in der Antike, besonders auch in der antiken Rhetorik auskennt, handelt es sich um eine sehr vergnügliche und exzellent ausgewählte Sammlung von Beispielen dafür, was besonders in römischer Zeit an gehobenen und geschliffenen Beleidigungen ausgetauscht worden ist. Nach einer kurzen begrifflichen und systematischen Einführung besteht der Großteil des Buches aus einer thematisch gegliederten Anthologie. Vorgeführt werden Majestätsbeleidigungen, Politiker beschimpfen Politiker, Schriftsteller beschimpfen Schriftsteller usw. usf. Alle Beispiel werden in den historischen Kontext eingestellt und prägnant erläutert, wobei deutlich wird, dass die Römer in Sachen öffentlicher Beleidigung weit weniger zimperlich waren als ihre christlichen Nachfahren. Eine gewisse Gewandtheit in der Kunst der Beleidigung wurde von einem öffentlichen Redner sogar erwartet, genauso wie ein dickes Fell, wenn einem die Komplimente zurückgegeben wurden. Dennoch dürfte sich der oben beschriebene Effekt bei den meisten Lesern leider notwendig einstellen.

Nur zu empfehlen für Freunde der römischen Literatur oder solche, die es werden wollen, diesen aber unbedingt.

Dennis Pausch: Virtuose Niedertracht. Die Kunst der Beleidigung in der Antike. München: Beck, 2021. Pappband, 223 Seiten. 22,– €

Giovanni Boccaccio: Von berühmten Frauen

Aber wozu die vielen Worte?

Giovanni Boccaccio ist durch ein Jugendwerk, das Decamerone, berühmt geworden. Das Buch hat ihm den Weg in das Umfeld Petrarcas eröffnet, den er später nicht müde wurde, seinen Lehrer zu nennen. Er ist dann von der Volkssprache zum Lateinischen übergegangen und hat an­ge­fan­gen, gelehrte Bücher zu verfassen, so eine heute nur wenig bekannte, umfangreiche Genealogie der heidnischen Götter und eben auch eine Anthologie kurzer Bio­gra­phien berühmter Frauen ‒ De mulieribus claris ‒, die gerade bei C. H. Beck in kleiner Auswahl neu übersetzt in der Reihe textura wieder erschienen ist.

Das Büchlein enthält 31 der ursprünglich 106 Kurzportraits, bei denen Boc­cac­cio der Antike ein absolutes Übergewicht einräumt: 100 seiner Texte behandeln Frauengestalten der Antike, wobei er mit der biblischen Ur­mut­ter Eva beginnt, um auch im Weiteren keine Unterschiede zwischen my­tho­lo­gi­schen und historischen Figuren zu machen. Die vom Übersetzer getroffene Auswahl ist amüsant und unterhaltsam und hat gerade die richtige Länge, um den Leser nicht zu strapazieren. Die Übersetzung kommt dem modernen Leser entgegen, ohne dabei die Herkunft des Originals aus dem Lateinischen gänzlich zu verleugnen.

Eine moderne Lektüre dieses spätmittelalterlichen Textes ist nicht ohne Reiz, denn so sehr sich Boccaccio auch bemüht, die berühmten Frauen nicht nur „als Frauen“ zu rühmen, so sehr ist es am Ende immer wieder ihre Tu­gend­haf­tig­keit, auf der ihre Berühmtheit gründet. Dort, wo sich andere Qua­li­tä­ten beim besten Willen nicht verleugnen lassen, setzt sich sein Weltbild letztlich doch durch:

Ich würde meinen, dass die Natur bisweilen Fehler begeht, wenn sie Seelen mit menschlichen Körpern verbindet: wenn sie beispielweise eine Seele in eine weibliche Brust gießt, die sie für eine männliche vor­ge­se­hen hatte. Da jedoch Gott selbst der Schöpfer solcher Menschen ist, wäre es verwerflich zu glauben, er sei bei seiner Schöpfung kurz eingenickt.

Ganz niedlich wird es dort, wo er sich gezwungen sieht, die rezente Königin von Neapel, Johanna von Anjou, als Schlussstück aufzunehmen, und an ihr unter anderem dies zu loben findet:

In den von ihr beherrschten Gebieten sorgte sie dafür, dass nicht nur Arme, sondern auch Reiche Tag und Nacht sicher und furchtlos ihrer Wege gehen können.

Wem es gelingt, dass sogar die Reichen vor Räubern sicher sind, muss über wahre Herrscherinnenqualität verfügen!

Mit ein wenig Ironie gelesen, eine überraschend frische und vergnügliche Lektüre.

Giovanni Boccaccio: Von berühmten Frauen. Ausgewählt und aus dem Lateinischen übersetzt von Martin Hallmannsecker. München: C. H. Beck, 2021. Bedruckter Pappband, 159 Seiten. 18,‒ €.