Der dritte der Frank-Bascombe-Romane, erschienen im Jahr 2006, also 20 Jahre nach Der Sportreporter. Die Handlung spielt wieder einmal in einem Wahljahr, diesmal im Jahr 2000 vor dem Thanksgiving-Wochenende im November – diesmal also ein Herbst-Roman nach dem Oster-Wochenende und dem Unabhängigkeitstag. Der Wahlausgang (George W. Bush vs. Al Gore) ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar, da das Ergebnis der Wahlen in Florida noch gerichtlich geklärt werden muss.
Frank Bascombe befindet sich einmal mehr in einer Umbruch-Phase seines Lebens. Er hat Sally, seine Geliebte aus Unabhängigkeitstag geheiratet, die ihn allerdings inzwischen für ihren Ex-Mann, den sie hatte für tot erklären lassen und der im Frühjahr 2000 unvermutet wieder aufgetaucht war, verlassen hat. Frank leidet unter Prostata-Krebs, der mittels radioaktiver Titan-Kügelchen behandelt wird. Der Krebs lässt Frank ernsthaft über seinen Tod nachdenken; außerdem fürchtet er, impotent zu werden. Während der Zeit seiner Krankheit hat ihn seine Tochter Clarissa betreut; zu seinem Sohn Paul hat er ein eher gespanntes Verhältnis – die beiden scheinen sich nicht recht zu verstehen. Und um die private Verwirrung komplett zu machen, macht ihm nicht nur seine Ex-Frau Ann einen überraschenden Heiratsantrag, sondern er erhält auch einen Brief von Sally, die ihm mitteilt, dass ihr Ex-Mann inzwischen tatsächlich verstorben ist. Geschäftlich geht es Frank aber gut: Er hat sich als Makler selbstständig gemacht, hat sogar einen Angestellten, der aber gerade Ambitionen entwickelt, sich ebenfalls auf eigene Beine zu stellen. Außerdem ist er von Haddam nach Sea-Clift, direkt am Atlantik, umgezogen, wo er in Sallys altem Haus lebt.
Insgesamt ähnelt das Buch sehr stark den beiden Vorläufer-Bänden. Wieder beherrscht das breite, aber nicht sehr tiefgehende Raisonnement Franks den Text. Wieder ist seine individuelle Vergangenheit der Anker dieses Sinnierens über Gott und die Welt. Wieder geht es um Amerika, Toleranz, die politische und wirtschaftliche Zukunft, aber eben zugleich auch um die persönliche Lage, die Ängste, die Hoffnungen, Sehnsüchte und Schwächen des Protagonisten. Die sich schon in Unabhängigkeitstag andeutende Zunahme von Gewalt wird in dieser Fortsetzung noch einmal verschärft; ganz nebenbei wird auch das Thema des Terrorismus angeschnitten und durchgespielt. Und die das Buch beschließende Pointe kommt so unerwartet, dass sie hier verschwiegen werden muss.
Ich habe diesmal die Übersetzung mit dem Original abgeglichen, da der deutsche Text von Frank Heibert weniger glatt erscheint als der der beiden anderen Bände. Alle auffälligen Stellen hielten einem Vergleich aber ohne weiteres stand; allerdings sollte erwähnt werden, dass die deutsche Übersetzung mit etwa 1.500.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) 20 % mehr Text enthält als das englische Original. Das ist eine recht hohe Quote für eine Übersetzung und macht das Buch wohl behäbiger, als es sein müsste. Ich kann aber keine konkreten Vorschläge machen, was man wie hätte anders und kürzer fassen können.
Eine gelungene und runde Fortsetzung. Ob es den Abschluss der Bascombe-Reihe darstellt, bleibt offen. Vielleicht ist es aber nicht gut, die drei Bände so rasch hintereinander zu lesen, wie ich das getan habe, denn besonders zu Anfang des dritten Bandes ist mir Frank Bascombe ein wenig auf die Nerven gegangen, was er sicherlich bei persönlicher Bekanntschaft auch tun würde. Aber das kann man dem Autor kaum vorwerfen, da er sich für die Trilogie immerhin 20 Jahre Zeit gelassen hat.
Richard Ford: Die Lage des Landes. Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Berlin: Berlin Verlag, 2007. Pappband, 681 Seiten. 24,90 €.