James Fenimore Cooper: Der letzte Mohikaner

Cooper wird von den meisten deutschen Lesern als eine Art von us-amerikanischem Karl May angesehen. Das liegt natürlich daran, dass ihn viele nur als Autor des „Lederstrumpf“ kennen und das zumeist noch aus für die heranreifende Jugend bearbeiteten Ausgaben, die das fünfbändige Werk zumeist auf das irokesischste grausamste zusammenstreichen und auf den reinen Abenteuerplot reduzieren. Hanser hat nun vor knapp zehn Jahren den in Deutschland bekanntesten Roman des Zyklus als Klassiker neu herausgegeben, das heißt, neu übersetzt und philologisch ordentlich ediert und kommentiert, wie sich das für einen klassischen Text gehört. Dabei hat die Herausgeberin und Übersetzerin Karen Lauer ganze Arbeit geleistet: Sie macht die Unterschiede der drei zu Lebzeiten Coopers entstanden Ausgaben (1826, 1831 und 1850) sichtbar, nimmt den Text in all seinen Details und Tendenzen ernst und liefert ein kenntnisreiches Nachwort und ebensolche Anmerkungen zum Text.

Der Plot ist kurz erzählt und für ein Abenteuer-Buch genau richtig: Die Handlung spielt im Jahr 1757, also während des Siebenjährigen Krieges, in der Gegend um Fort William Henry am Südufer des Lake George im nördliche Teil des Staates New York. Im Zentrum steht eine kleine Gruppe von Weißen: ein Major Duncan Heyward, der versucht, die beiden Töchter, Alice und Cora, des kommandierenden Offiziers von Fort Henry, Oberst George Munro, in aller Stille zu ihm zu bringen. Dieser Gruppe schließt sich der fromme Sänger David Gamut an, der nicht nur als ebenso gottgläubiger wie vorerst unnützer Vorzeigechrist fungiert, sondern in der späteren Handlung durchaus eine Schlüsselrolle zugespielt bekommt. Geführt wird die Gruppe von einem Indianer, Magua, der sich nur allzu bald als der Hauptbösewicht des Textes erweisen soll. Die Gruppe trifft nach kurzer Reise auf Natty Bumppo, genannt Falkenauge, und seinen indianischen Freund Chingachgook und dessen Sohn Uncas. Natty Bumppo und Chingachgook verbinden den Roman mit dem 1823 erschienen Die Ansiedler, dessen Handlung allerdings deutlich später spielt und die beiden Freunde als alte Männer vorführt.

Natürlich gerät die Gruppe bald in Gefahr durch feindliche Indianer, vor denen sie sich zwar eine Weile verstecken können, von denen sie aber schließlich angegriffen und zum Teil gefangen genommen werden. Ebenso natürlich entziehen sich die drei Helden des Romans dem feindlichen Zugriff und nehmen die Verfolgung auf. Am Ende spitzt sich das Geschehen zu auf die Befreiung einer der Töchter Munros, die der Schurke des Romans unbedingt zu seiner Squaw machen will.

Eingebettet in diesen Abenteuer-Plot findet sich die Beschreibung des historischen Massakers, das 1757 an der abziehenden englischen Besatzung von Fort William Henry durch feindliche Indianer unter Duldung des französischen Militärs verübt wurde. Dieses grausame Abschlachten von Menschen, denen freies Geleit zugesichert worden war, stellt eines der Kriegsverbrechen in der Auseinandersetzung zwischen den Engländern und Franzosen in der Zeit des Siebenjährigen Krieges in Nordamerika dar. Mit der Darstellung dieses Ereignisses macht Cooper seinen Letzten Mohikaner zum ersten us-amerikanischen Beispiel für den kurz zu vorher erst erfundenen Historischen Roman.

Zudem wird der Abenteuer-Plot durch eine weitgehend un­vor­ein­ge­nom­me­ne Schilderung indianischer Bräuche und Sitten ergänzt, ja Cooper versucht tatsächlich so etwas wie ein objektives Bild vom Leben in der Wildnis der Staaten vor Gründung der USA zu liefern. Sicherlich war auch er nicht frei von Vorurteilen und das für die Spannung der Handlung erforderliche Schwarz-Weiß seiner Darstellung ist ebenfalls nicht unbedingt förderlich, aber alles in allem liefert er ein wirklichkeitsnahes und durchweg informatives Portrait der in den Krieg der Weißen verwickelten Indianerstämme.

Allen, die daran interessiert sind, warum Cooper eben nicht nur ein amerikanischer Karl May, sondern bedeutend mehr war, sei dieses sorgfältig gemachte und gut ausgestatteten Buch empfohlen.

James Fenimore Cooper: Der letzte Mohikaner. Ein Bericht aus dem Jahre 1757. Aus dem Englischen von Karen Lauer. München: Hanser, 2013. Leinen, bedruckter Vorsatz, Fadenheftung, Lesebändchen, 656 Seiten. 34,90 €.

Nikolai Gogol: Tote Seelen

… die Bauern hatten alle gescheite Gesichter; das Hornvieh war von bester Güte; sogar die Schweine der Bauern sahen aus wie Aristokraten.

Gogols einziger Roman, der zudem Fragment geblieben ist. Von den drei geplanten Teilen erschien 1842 der erste; der zweite soll wohl fertiggestellt worden sein, aber Gogol verbrannte das Manuskript kurz vor seinem Tod unter dem Einfluss eines religiösen Fanatikers. So sind vom zweiten Teil nur einige Kapitel erhalten, aus denen sich aber kein geschlossener Handlungsverlauf ablesen lässt und die zudem Lücken und leichte Unstimmigkeiten aufweisen. Trotzdem ist dem Roman anhaltender Erfolg beschieden gewesen: Nach seinem Erscheinen kontrovers diskutiert, wurde er für die nachfolgende Schriftsteller-Generation zu einem wichtigen Orientierungspunkt, sowohl in der Nachfolge als auch in der Opposition.

Erzählt wird die Geschichte des ehemaligen Zollbeamten Pawel Iwanowitsch Tschitschikow, der irgendwann nach 1812 in die Provinzstadt N. einfährt, die irgendwo zwischen Moskau und Petersburg liegt. Tschitschikow weiß mit seinen Schmeicheleien rasch die gesamte Oberschicht des Städtchens für sich einzunehmen, und beginnt, nachdem er sich so eingeführt hat, mit einer Rundfahrt zu diversen, im Umland gelegenen Güter. Dort kommt er zumeist recht direkt zu seinem eigentlichen Anliegen: Er möchte jene leibeigenen Bauern kaufen, die auf der aktuellen, staatlichen Revisionsliste verzeichnet, seit Erstellung dieser Liste aber verstorben sind. Für diese „toten Seelen“ hofft Tschitschikow, kaum etwas bezahlen zu müssen, da er die Gutsbesitzer von der Verpflichtung zur Zahlung der Kopfsteuer für diese Verstorbenen bis zur Erstellung der nächsten Revisionsliste befreit. Zwar stößt dieses Ansinnen bei allen Gutsbesitzern auf Kopfschütteln, aber angesichts der Aussicht auf einen, wenn auch noch so geringen Gewinn einer- und die Einsparung der Abgaben andererseits gehen nahezu alle darauf ein. Auch der Abschluss der entsprechenden Kaufverträge bei Gericht geht reibungslos über die Bühne, so dass sich Tschitschikow nach wenigen Tagen im Besitz einer stattlichen Anzahl von Leibeigenen sieht, die nur den winzig kleinen Fehler aufweisen, dass sie verstorben sind.

Wozu Tschitschikow diese toten Seelen benötigt wird im gesamten ersten Teil des Romans nicht ausdrücklich gesagt. Da das elfte Kapitel aber seine bisherige Karriere als Beamter zusammenfasst, die eine Abfolge von Korruption und betrügerischer Bereicherung darstellt, lässt sich zumindest vermuten, dass es sich um einen weiteren Betrug handeln dürfte. Anstatt nun N. auf dem schnellsten Weg zu verlassen, verkuckt sich Tschitschikow in die blonde Tochter des Gouverneurs, und weil ihn am Ort alle so sympathisch finden, bleibt er noch einige Tage. Doch kommt es in diesen wenigen Tagen zu einem Sturm der Klatsches und wilder Gerüchte, ausgelöst durch den einzigen Gutsbesitzer, dem Tschitschikow seine toten Seelen nicht hatte abkaufen können. Und ausgerechnet dieser Gutsbesitzer warnt Tschitschikow auch, dass ihm Ärger ins Haus stehe, was zu Tschitschikows fluchtartiger Abreise aus N. führt. Damit endet der erste Teil des Romans.

Der zweite Teil zeigt einen etwas gealterten Tschitschikow, der aber immer noch dasselbe Projekt verfolgt. Es wird nun klar, dass er die Bauern, die in einem verwaltungstechnischen Sinne immer noch am Leben sind, verpfänden möchte, um genug Kapital zu erwerben, um selbst ein Gut zu kaufen. Die Handlung des zweiten Teils bleibt rudimentär: Einerseits erwirbt Tschitschikow, begeistert über die ökonomische und höchst erfolgreiche Führung eines Gutes durch seinen Besitzer, selbst ein heruntergekommenes Gut zu einem Spottpreis, andererseits verwickelt er sich offenbar in einen Erbschaftsbetrug zu Lasten des Vorbesitzers seines gerade erworbenen Landgutes. Auch der zweite Teil sollte mit der Flucht Tschitschikows enden, allerdings diesmal aus wesentlich ernsterer Gefahr als zum Ende des zweiten Teils.

Es ist nur zu selbstverständlich, dass ein solcher Roman, der die Honoratioren der Provinz als eine Gruppe etwas eitler, um sich selbst kreisender Dummköpfe darstellt, die mit einigen Schmeicheleien gefügig, durch einige Gerüchte aber ebenso leicht kopfscheu gemacht werden können, als Satire gelesen wurde. Und sicherlich ist es auch so, dass in vielen Verfassern satirischer Schriften ein Moralist am Grunde ruht, der aufgeschreckt, wenn man seine Hervorbringung als Satire liest und entsprechend belacht. Wie sehr das bei Gogol der Fall war, lässt sich leicht aus den moralisierenden und überhaupt belehrenden Passagen des zweiten Teils ersehen, die wohl zum Ziel hatten, Tschitschikows letztendliche Läuterung in die Wege zu leiten. Es ist daher verständlich, dass sich Gogol von der allgemeinen Rezeption seines Romans missverstanden fühlte. Das ändert aber wenig an der Tatsache, dass die Satire die gelungenste Ebene des gesamten Romans ist. Von daher ist es vielleicht ein Glück, dass es dem Autor verwehrt geblieben ist, diesen Eindruck durch die nachfolgenden Romanteile zunichte zu machen.

In der Übersetzung Vera Bischitzkys ein frisches und humoristisches Buch auf der Höhe der europäischen Literatur seiner Zeit. Und man darf getrost die Lektüre mit dem Ende des ersten Teils einstellen; das Übrige dient nur literarhistorischen Zwecken.

Nikolai Gogol: Tote Seelen. Ein Poem. Aus dem Russischen übersetzt von Vera Bischitzky. dtv 14263. München: dtv, 52021. Broschur, 637 Seiten. 14,90 €.

Fjodor M. Dostojewski: Aufzeichnungen aus dem Untergrund

Zum vorläufigen Abschluss meiner Dostojewskij-Lektüre noch einmal eine Rückkehr fast ganz zum Anfang: Im Januar 2019 hatte ich hier die vor der Reihe der letzten sechs Romane entstandenen Aufzeichnungen aus dem Kellerloch in der damals aktuellsten Übersetzung Swetlana Geiers besprochen. Dieser vergleichsweise kurze Text, der eine Mischung aus essayistischer Reflexion und fiktiver autobiografischer Erinnerung des Erzähler liefert, war bei seinem Erscheinen nur wenig beachtet worden und wurde in seiner Bedeutung als thematische Vorschule zahlreicher Themen, die dann in den „fünf Elefanten“ entfaltet werden sollten, erst viel später begriffen. Ich selbst habe es als die Eröffnung des psychologischen Labors Dostojewskijs bezeichnet.

Im Jubiläumsjahr legt nun Manesse in seiner Bibliothek eine Neu­über­set­zung des Textes durch Ursula Keller vor. Zum Inhalt des Buches sei auf die frühere Besprechung verwiesen; das muss hier nicht wiederholt werden. Was Stil und Wortwahl angeht, unterscheiden sich die beiden Über­­­set­­­zun­­gen allerdings deutlich. Gleich auf den ersten Blick erscheint die Übersetzung Kellers oft konkreter und bildhafter im Ausdruck:

Ich bin ein kranker Mensch … Ich bin ein böser Mensch. Ein abstoßender Mensch bin ich. Ich glaube, meine Leber ist krank. Übrigens habe ich keinen blassen Dunst von meiner Krankheit und weiß gar nicht mit Sicherheit, was an mir krank ist. Für meine Gesundheit tue ich nichts und habe auch nie etwas dafür getan, obwohl ich vor der Medizin und den Ärzten alle Achtung habe. Zudem bin ich noch äußerst abergläubisch, so weit z. B., daß ich vor der Medizin alle Achtung habe. (Ich bin gebildet genug, um nicht abergläubisch zu sein, aber ich bin abergläubisch.) Nein, meine Herrschaften, wenn ich für meine Gesundheit nichts tue, so geschieht das nur aus Bosheit. Sie werden sicher nicht geneigt sein, das zu verstehen. Nun, meine Herrschaften, ich verstehe es aber. Ich kann Ihnen natürlich nicht klarmachen, wen ich mit meiner Bosheit ärgern will, ich weiß auch ganz genau, daß ich nicht einmal den Ärzten dadurch schaden kann, daß ich mich nicht von ihnen behandeln lasse; ich weiß am allerbesten, daß ich damit einzig und allein mir selbst schade und niemandem sonst.
Und dennoch, wenn ich nichts für meine Gesundheit tue, so geschieht es aus Bosheit, und ist die Leber krank, dann mag sie noch ärger krank werden!

Geier, S. 7 f.

Ich bin ein kranker Mensch … Ich bin ein zorniger Mensch. Ein hässlicher Mensch bin ich. Ich glaube ich bin leberkrank. Eigentlich habe ich nicht die geringste Ahnung, woran ich erkrankt bin, und weiß nicht einmal sicher, worunter ich leide. Ich bin nicht in Behandlung und war auch nie in Behandlung, obwohl ich Medizin und Ärzten Respekt entgegenbringe. Zugleich bin ich über die Maßen abergläubisch; nun, wenigstens so sehr, dass ich der Medizin Respekt entgegenbringen. (Ich bin gebildet genug, um nicht abergläubisch zu sein, und doch bin ich abergläubisch.) Nein, mit Verlaub – ich will mich aus reinem Trotz nicht in Behandlung begeben. Und genau das werden sie wohl nicht verstehen wollen. Nun, aber ich verstehe es. Ich vermag Ihnen, selbstredend, nicht zu erklären, wem ich mit diesem Trotz das Leben schwer machen; ich weiß sehr genau, dass ich den Ärzten ja damit, dass ich nicht bei ihnen in Behandlung bin, «keinen Haufen vor die Tür» setze; ich weiß selbst am besten, dass sich mit alledem nur mir ganz allein schade und niemandem sonst. Und trotzdem – wenn ich nicht in Behandlung bin, so ist das reiner Trotz. Die Leber ist krank, soll sie doch noch kränker werden!

Keller, S. 9 f.

Von der Frage des zusätzlichen bzw. fehlenden Absatzes abgesehen, erscheint es schon als deutlicher Unterschied, ob der Erzähler sich aus Bosheit oder Trotz der ärztlichen Behandlung verweigert, ob er den Ärzten dadurch nicht schadet oder ihnen keinen Haufen vor die Tür setzt. Solche Unterschiede finden sich kontinuierlich durch den ganzen Text hindurch, begleitet von weiteren seltsamen Phänomenen wie zum Beispiel Klammern, die an unterschiedlichen Stellen des Textes geschlossen werden. Leider hindert mich meine Unkenntnis des Russischen daran, mehr zu tun, als auf diese durchaus eklatanten Unterschiede hinzuweisen. Ein kritisches Urteil muss andernorts gefällt werden. (Für Hinweise auf ein kompetentes Urteil sei gleich hier im Voraus gedankt!)

Wenigstens muss der Neuübersetzung von Ursula Keller attestiert werden, dass sie den Text an zahlreichen Einzelstellen und im Ganzen ver­ständ­li­cher und differenzierter zu übersetzen scheint, dass die durchweg außergewöhnlichen Gedankengänge des Erzählers in ihr weniger obskur und dunkel erscheinen.

Fjodor M. Dostojewski: Aufzeichnungen aus dem Untergrund. Aus dem Russischen von Ursula Keller. München: Manesse, 2021. Pappband, Fadenheftung, Lesebändchen, 312 Seiten. 25,– €.

Fjodor Dostojewskij: Die Brüder Karamasow

Meistens sind die Menschen, sogar Bösewichte, wesentlich naiver und einfältiger, als wir annehmen. Wir sind ja auch nicht anders.

Der letzte der „fünf Elefanten“, im Jahr 1880 als letzter und zugleich umfangreichster Roman Dostojewskijs erschienen. Die Handlung lässt sich in zwei klar voneinander zu unterscheidende Abschnitte teilen: Im ersten Abschnitt geht es hauptsächlich um den jüngsten der drei (eventuell auch vier) Brüder Karamasow, Alexej, der zu Anfang des Romans noch in einem Kloster in seiner Heimatstadt in der russischen Provinz lebt. Dort ist er Vertrauter und Faktotum eines Einsiedlers, um dessen letzte Lebenstage und Sterben die Ereignisse angeordnet sind. Dostojewskij schafft sich damit Gelegenheit, in ausführlicher Breite seine Sicht des russischen Christentums auszubreiten, er geht sogar soweit, dass das komplette sechste Buch der Lebensbeschreibung und den Ansichten des Einsiedler gewidmet ist. Aber auch hier lässt Dostojewskij wieder mehr als nur eine Stimme vernehmen: So wird die über den Roman hinaus bekannte Erzählung Der Großinquisitor in den Roman eigeflochten, die der zweitälteste Bruder Iwan Karamasow seinem jüngeren Bruder Alexej erzählt und die eine eher skeptische Sicht auf die Kirche allgemein, die römisch-katholische Kirche im Speziellen präsentiert.

Mit dem achten von zwölf Büchern beginnt dann die Geschichte Dmitrij Karamasows, des ältesten Bruders, der aus der ersten Ehe des Vaters Fjodor Pawlowitsch stammt. Dmitrij hat den unsteten Charakter seines Vaters geerbt, ist Soldat geworden und hat das Erbe seiner Mutter weitgehend durchgebracht. Er befindet sich mit dem Vater in einem Streit darüber, ob ihm aus diesem Erbe noch eine Restzahlung zusteht; außerdem konkurrieren die beiden Männer trotz ihrem unterschiedlichen Alter um dieselbe Frau, Gruschenka, die ihre Unabhängigkeit dadurch unter Beweis stellt, dass sie beide Bewerber auf Distanz hält. Dmitrij ist zudem verschuldet: Er hat Geld, das ihm seine ehemalige Verlobte – in die wiederum Iwan Karamasow unglücklich verliebt ist – anvertraut hat, veruntreut und damit ein rauschendes Fest mit der umworbenen Gruschenka finanziert, ohne dass ihn das seinem Ziel irgendwie näher gebracht hätte. Nun sucht er verzweifelt nach jemandem, der ihm 3.000 Rubel leiht, damit er dieses veruntreute Geld zurückgeben kann.

Es kommt nun zu einer Reihe von Ereignissen, in deren Verlauf der Vater Fjodor Karamasow erschlagen und beraubt wird, wobei eine überwältigende Kette von Indizien auf Dmitrij als den Täter hinweist: Er ist plötzlich wieder zu Geld gelangt, hat das Fest für Gruschenka wiederholt, war in der Nacht zuvor nachweislich zumindest im väterlichen Garten und hat dort flüchtend den alten Diener des Hauses niedergeschlagen. Dmitrij wird verhaftet, ausführlich befragt und schließlich angeklagt. Der Mordprozess bildet den Höhepunkt und Abschluss des Romans. Mehr muss hier gar nicht verraten werden.

Erzählerisch variiert Dostojewskij hier noch einmal das Erfolgsmuster aus Böse Geister: Ein Ich-Erzähler, der von Teilen der Handlung unmittelbarer Zeuge war, berichtet das Geschehen, wobei er wechselweise als auktorialer Erzähler oder distanzierter Beobachter auftreten kann. Nach einer langen Phase, die ganz anderen Themen gewidmet zu sein scheint und die nur ganz nebenbei die Kriminal-Handlung des zweiten Teils Stück für Stück vorbereitet, rückt ein Verbrechen und – diesmal – seine polizeiliche und juristische Behandlung in den Mittelpunkt, hier mit dem Schwergewicht auf dem Problem, das wirkliche Geschehen aus einer Reihe von Indizien herleiten zu können. Sowohl das Bild, das der Staatsanwalt von dem Geschehen entwirft als auch die epistemische Kritik des Verteidigers an diesem Bild verfehlen das tatsächliche Geschehen, das dem Leser zwar mitgeteilt wird, in der Welt des Romans aber unbeweisbar bleibt. Besonders diese zweite Hälfte des Romans brilliert mit dem, was man Dostojewskijs „Psychologie“ zu nennen beliebt.

Insgesamt ein zu langer Roman, dem man aber dennoch eine gewisse Balance nicht ganz abstreiten kann. Während das Hauptthema des ersten Teils heute weitgehend obsolet geworden sein dürfte, ist der zweite Teil des Romans durchweg interessant, wenn hier auch einige Elemente deutlich zu dramatisch geraten sind. Allerdings ist der zweite Teil ohne die vorbereitenden Elemente des ersten nicht wirklich zu verstehen, so dass man nur die Wahl „ganz oder gar nicht“ hat.

Fjodor Dostojewskij: Die Brüder Karamasow. Aus dem Russischen von Swetlana Geier. Zürich: Ammann, 2003. Leinenband, Fadenheftung, 1279 Seiten. Lieferbar als Fischer Taschenbuch für 18,– €.

Thomas Bernhard: Die Autobiographie

… aber hier wird auf das Kopfschütteln, gleich auf welcher Seite und mag sie sich als die kompetenteste ansehen, keinerlei Rücksicht genommen.

Zwischen 1975 und 1982 sind fünf au­to­bio­gra­phisch unterfütterte Erzählungen von Thomas Bernhard erschienen, die 2004 innerhalb der Werkausgabe bei Suhrkamp erstmals in einem Band, dem Band 10 unter dem herausgeberischen Titel Die Autobiographie zusammengefasst wurden. Die Herausgeber dieses Bandes stellen selbst fest, dass der gewählte Titel nicht durch irgend eine Äußerung des Autors gestützt werden kann. Es soll hier nicht diskutiert werden, inwieweit dieser neue Titel und die neue Form die Wahrnehmung und das Verständnis dieser Erzählungen beeinflussen, denn dazu wäre als Vergleichsgröße eine Dokumentation des Verständnisses eines Lesers vonnöten, der die Erzählungen etwa kontinuierlich mit ihrem Erscheinen gelesen hätte; allein schon das wäre wohl weit von jeder Realisierbarkeit entfernt. Doch genug des Nominalstils.

Die Reihe der Erzählungen beginnt mit der Internatszeit Bernhards in den letzten Kriegs- und ersten Nachkriegsmonaten in Salzburg. Der Ich-Erzähler leidet sowohl unter dem Regiment des faschistischen Direktors Grünkranz als auch seines katholischen Nachfolgers „Onkel Franz“. Dieser erste Band, Die Ursache. Eine Andeutung (1975) endet mit dem Entschluss des Erzählers das Gymnasium zu verlassen und eine Lehre bei einem Lebensmittel-Händler zu beginnen. Der Keller. Eine Entziehung (1976) knüpft direkt an dieses Ende an und verfolgt die Lebensgeschichte weiter bis zum Abbruch der Lehre durch eine Lungenerkrankung, die sich der Erzähler beim Abladen einen Fuhre Kartoffeln im Regen zugezogen hat. Der Atem. Eine Entscheidung (1978) berichtet vom sich anschließenden Klinikaufenthalt, Die Kälte. Eine Isolation (1981) von der nachfolgenden Kur. Der letzte Band Ein Kind (1982) springt chronologisch in die Zeit vor Die Ursache und beginnt mit einer Radtour, die der Erzähler als Achtjähriger ohne die Erlaubnis seiner Mutter nach Salzburg unternommen hat, auf der er aber verunglückt, ohne sein Ziel zu erreichen. Nimmt man den erzählerischen Anspruch für einen Moment ernst, so erzählt Bernhard hier sein Leben einigermaßen kontinuierlich zwischen dem achten und dem neunzehnten Lebensjahr nach.

Dabei sind alle fünf Erzählungen beherrscht vom Ton und der Geisteshaltung des erwachsenen Erzählers, seinem durchgehenden Ressentiment eines Außenseiters gegen die Gesellschaft, den Menschen schlechthin, die Österreicher und die Salzburger im speziellen, dem unvergessenen und unverziehenen Leid des von einem ambitionierten Großvater durch diverse Künste (Geigenspiel, Gesang, Malerei) getrieben Kindes, das zusätzlich unter dem Druck einer ihm in Hass-Liebe zugetanen Mutter leidet und keinen heimischen Ort in der Welt finden kann. Die Texte sind einerseits durchaus bewegend, andererseits in der typischen Bernhardschen Manier nervtötend und penetrant. Bernhard zelebriert in dem Kind und Jugendlichen, von dem er erzählt, seine Verletztheit, Einsamkeit und Misanthropie. Es fehlt diesen Büchern in weiten Teilen der sonst oft bei ihm vorherrschende bissige oder auch zynische Humor, der hier ersetzt wird durch ein eher unverstelltes, aber distanziert geschildertes Mitleid mit sich selbst als Kind. Diese größere Unmittelbarkeit sollte einen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese Texte hoch stilisiert sind, dass die permanenten Wiederholungen, Reformulierungen und Variationen (die durchaus auch als musikalisches Element verstanden werden können) eine mehrfache Überschreibung des Erinnerten durch einen dies Erinnern instrumentalisierenden Erzähler darstellen.

Die fünf Erzählungen bilden einen guten Einstieg in den Bernhardschen Kosmos: Wer ausprobieren möchte, ob er mit Bernhards Stil zurecht kommt, kann es mit irgendeinem der Bände probieren; vielleicht ist Die Ursache der beste Prüfstein. Es ist aber nicht notwendig, bei der Lektüre die innere Chronologie oder die der Veröffentlichung einzuhalten.

Thomas Bernhard: Die Autobiographie. Werke Bd. 10. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2004. Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen. 582 Seiten. 42,– €.

Gustave Flaubert: Memoiren eines Irren

Es wäre ein Fehler, in all dem hier etwas anderes zu sehen als die Nörgeleien einen armen Irren. Ein Irrer!
Und Sie, Leser – Sie haben vielleicht vor kurzem geheiratet oder Ihre Schulden bezahlt?

Nachdem ich Elisabeth Edls Übersetzung der Éducation sentimentale vorerst übersprungen habe – zum einen, weil es zeitlich nicht passte, zum anderen aber sicherlich auch, weil ich über die Übersetzung des Titels mit Lehrjahre der Männlichkeit doch etwas erschrocken war –, folgt nun also, im Jahr seines 200. Geburtstages, die Neuübersetzung von Flauberts erstem ernsthaften Versuch, einen Roman zu schreiben. Der Text, der keine 100 Druckseiten umfasst, ist zu Lebzeiten des Autors nicht veröffentlicht worden, und man darf davon ausgehen, dass sich Flaubert seiner Schwächen sehr bewusst war.

… Mir ist alles so zuwider, dass ich einen tiefen Ekel davor empfinde weiterzuschreiben, nachdem ich das Vorangehende gelesen habe.
Können die Werke eines gelangweilten Mannes die Leser amüsieren?

S. 40

Aber natürlich zeigt sich die Wichtigkeit eines Autors eben auch darin, dass nach seinem Tod sein Nachlass herausgegeben wird.

Im Falle der Memoiren eines Irren geschah dies zuerst Ende 1900, 20 Jahre nach dem Tod Flauberts. Die Erzählung, die nur ehrenhalber die Bezeichnung Roman verdient, ist deshalb interessant, weil hier schon einige der Motive durchgespielt werden, die in den späteren Werken eine Rolle spielen. Zentral dürfte dabei die Beschreibung der ersten Verliebtheit des Erzählers in eine ältere, verheiratete Frau sein, die deutlich auf die Liebe Frédéric Moreaus aus L’Éducation sentimentale vorausweist. Außer diesen einzelnen Motiven ist der Text weitgehend lamoyant, verbunden mit einer für einen 17-Jährigen doch recht künstlichen Welt- und Menschenfeindlichkeit. Der Erzähler tut sich selbst unendlich leid, was den Leser ungefähr so kalt lässt, wie es Flauberts spätere Erzähler sind. Literarisch ist das beste am Text, dass er nicht länger ist.

Um dem Band etwas mehr Umfang zu geben, hat man eine Auswahl früher Briefe Flauberts hinzugefügt, die – wie Flauberts Briefe überhaupt – immer interessant und lebendig sind. Die wichtigste Stelle im Buch aber ist diese:

Wolfgang Matz hat auch diesen Band als Lektor begleitet; dass er der Einladung folgte, zum (wenigstens vorläufigen) Abschluss dieser Flaubert-Jahre auch das Nachwort beizusteuern, …

S. 200

Es wird also auf absehbare Zeit keine Übersetzung von Bouvard et Pécuchet durch Elisabeth Edl geben. Fassen wir uns also in Geduld.

Gustave Flaubert: Memoiren eines Irren. Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Edl. München: Hanser, 2021. Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen, 240 Seiten. 28,– €.

Johann Wolfgang Goethe: Italienische Reise

Ja, ich kann sagen, dass ich die höchste Zufriedenheit meines Lebens in diesen letzten acht Wochen genossen habe und nun wenigstens einen äußersten Punkt kenne, nach welchem ich das Thermometer meiner Existenz künftig abmessen kann.

Nach zehn Jahren in Weimarischen Diensten schleicht sich der Minister Dr. von Goethe am 3. September 1786 von Karlsbad aus fort und reist endlich dorthin, wohin er schon 1775, vor seinem kurzen Abstecher nach Weimar, unterwegs gewesen war: nach Italien. Dies sollte sich als wichtigste Epoche seines Lebens erweisen, als die Zeit, in der er sich endgültig für ein Leben als Schriftsteller und Künstler entschied. Seine Rückkehr nach Weimar war – aus emotionalen wie aus ökomischen Gründen – unausweichlich, doch hatte er in Rom die Form der Existenz gefunden, die seinen Talenten und seine Bedürfnissen angemessen war.

Täglich wird mir’s deutlicher, dass ich eigentlich zur Dichtkunst geboren bin, und dass ich die nächsten zehen Jahre, die ich höchstens noch arbeiten darf, dieses Talent exkolieren und noch etwas Gutes machen sollte, da mir das Feuer der Jugend manches ohne großes Studium gelingen ließ.

In Rom erst ist Goethe zu dem Goethe geworden, der in den nächsten zumindest 100 Jahren zu einer kultischen Figur der deutschen Kultur werden sollte. Er konnte von Glück sagen, dass der Weimarer Herzog Karl August ihm in echter Freundschaft verbunden war und die Verschiebung des Lebensschwerpunktes Goethes vom Staatsbeamten zum Künstler nicht nur akzeptiert, sondern in den folgenden Monaten und Jahren auch tatkräftig ermöglicht hat.

Die Italienische Reise ist von Goethe als der zweite Teil seiner Autobiographie begriffen und gearbeitet worden. Der vorliegende Text stellte eine – durchaus uneinheitliche – Bearbeitung von Tagebüchern, Briefen und anderen Texten dar, die während der Reise entstanden waren. Nachdem er im Sommer 1813 die Arbeit an Dichtung und Wahrheit vorläufig abgebrochen hatte (der dritte Band erschien 1814, der vierte erst 1833 postum), wendet er sich dem Material zu, das seine erste Reise nach Italien dokumentiert. Es setzt nun – mit langen Unterbrechungen – über mehr als drei Jahre hinweg eine Auswahl und Überarbeitung dieser Aufzeichnungen und Briefe ein, die 1816 und 1817 zur Veröffentlichung der ersten beiden Bände führen. Erst 1829 wird Goethe dann den geplanten Abschlussband Zweiter Römischer Aufenthalt fertigstellen, der sich in Aufbau und Sprache deutlich von den beiden vorangegangen Teilen unterscheidet. Erst mit dem Erscheinen des dritten Bandes wählt Goethe für alle drei Teile den Titel Italienische Reise, wohl als Versuch, die innere Zusammengehörigkeit der sonst recht disparaten Texte zu betonen.

Ich bin im Dante-Jahr eher zufällig wieder einmal in die Italienische Reise hineingestolpert auf der Suche nach einer vage erinnerten Stelle, an der Goethe mit einem italienischen Dante-Enthusiasten aneinandergerät, der Nicht-Italienern schlicht jede Möglichkeit abspricht, die Commedia verstehen zu können. Die Lektüre von nur wenigen Seiten hat mir ein so überraschendes Vergnügen bereitet, dass ich das Buch zum ersten Mal komplett und in einem Zug gelesen habe. Besonders der erste Teil, der ganz nah am unmittelbaren Erleben geschrieben zu sein scheint, ist in einer so beweglichen und ansprechenden Prosa geschrieben, wie sie sich andernorts bei Goethe nur selten findet. Besonders meine letzten Lektüren seiner späteren Romane (Wahlverwandtschaften, Lehrjahre und Wanderjahre) hatten mich höchst unzufrieden mit der trockenen und weltarmen Prosa Goethes zurückgelassen. In der Italienischen Reise nun findet sich ein komplett anderer Ton und eine Welthaltigkeit, mit der ich bei ihm nicht mehr gerechnet hatte.

Natürlich fällt der späte, dritte Teil in dieser Hinsicht ab: Die Aufteilung des Textes in Wiedergabe von Korrespondenz und Bericht unter zusätzlicher Einschiebung essayistischer Teile (einer sogar aus der Feder von Karl Philipp Moritz), von denen der Leser nicht so ganz sicher ist, warum er das gerade hier lesen soll, macht den Text deutlich steifer und weniger lebendig; auch der Versuch der Einflechtung einer Liebesgeschichte hilft dem nicht auf.

Wer sehen will, was Goethe als Prosaautor konnte und vielleicht auch als Roman-Autor hätte können können (auf einen berechtigten Zuruf hin sei der Werther von diesem Urteil ausdrücklich ausgenommen), dem seien besonders die ersten beiden Teile der Italienischen Reise zur Lektüre anempfohlen. Eine – für mich wenigstens – überraschende Wiederentdeckung im Ozean der Goetheschen Schriften.

Johann Wolfgang Goethe: Italienische Reise. Kindle-Ausgabe. Stuttgart: Reclam, 2020. 605 Seiten (Druckausgabe). 9,99 €.

Friedrich Dürrenmatt: Das Stoffe-Projekt III & IV

Ob es sich um die Abschreckung durch Atombomben, um Atomkraftwerke, um die Lagerung von Atommüll, um die Plünderung unseres Planeten usw. handelt, immer reden diejenigen, welche daran glauben, uns ein, wir sollen glauben, was sie tun, sei absolut sicher.

Die 1990 erschienen Stoffe IV–IX unterscheiden sich deutlich von dem beinahe 10 Jahre älteren Band. Dürrenmatts Verleger Daniel Keel hatte gehofft, der zweiten Band könne bereits kurz nach dem ersten erscheinen, doch Dürrenmatts Arbeitsweise, der Tod seiner Frau Lotti im Jahr 1983, seine neue Beziehung zu Charlotte Kerr, die ihn zurück zum Drama brachte, all dies beeinflusste und unterbrach immer wieder die Arbeit an der Fortsetzung. Zudem bewiesen einige der Stoffe sich als so dynamisch, dass sie sich in eigenständige Projekte verwandelten, so etwa den 1989 herausgegeben letzten Roman Dürrenmatts Durcheinandertal.

Es wundert bei der langen Entstehungszeit nicht, dass der zweite Band deutlich uneinheitlicher geraten ist. Der große biographische Bogen wird nur teilweise fortgesetzt, die biographische Erzählung wird insgesamt bruchstückhafter und anekdotischer. Zugleich nimmt der essayistische Anteil des Textes deutlich zu. Auch bleiben die Stoffe selbst eher skizzenhaft und summarisch, wie es auch schon für Der Rebell im ersten Bad festgestellt wurde. Wie man die ausgewählten Stoffe letztendlich beurteilt, hängt sicherlich von zahlreichen Vorbedingungen ab. So ist etwa das abschließende Kapitel Das Hirn, das so etwas wie ein evolutionäres Gesamtbild der Entstehung des Universum als Fiktion eines freischwebenden Bewusstsein versucht, inhaltlich heute kaum mehr überzeugend, was aber auch daran liegt, dass heute selbst der oberflächlichste Konsument des Fernsehen mit so zahlreichen Dokumentationen über alles mögliche zugeschüttet wird, dass ihm das alles als alte Kamellen erscheinen dürfte. Hier war die Rezeptionssituation in den 1980er Jahren, auf die Dürrenmatt zielte, natürlich eine komplett andere. Alles in allem ist eine angemessene Lektüre dieser Texte nicht einfach.

Eine zumindest für Dürrenmatt-Kenner wichtige Ergänzung dürfte seine Rekonstruktion seines ersten Theaterstücks Der Turmbau zu Babel sein, die sich im Anhang zu Band IV dieser Ausgabe findet. Dürrenmatt hatte zumindest einen Teil der ersten Fassung vernichtet; andere Teile sind wohl eher ungewollt erhalten geblieben. Aus demselben Stoffkreis hat Dürrenmatt dann später Ein Engel kommt nach Babylon (1953) entwickelt, eines seiner zahlreichen religiös grundierten Dramen.

Band III liefert unter anderem ergänzend dazu eine ganze Reihe weiterer Stoffe, die es nicht bis in die publizierte Fassung geschafft haben; wichtig ist hier auf jeden Fall Dürrenmatts breite Auseinandersetzung mit dem Prometheus-Mythos.

Diese Reihe von Besprechungen ist von der Frage ausgegangen, ob der hier betrieben Aufwand von den Texten der beiden veröffentlichten Bände gerechtfertigt werden kann. Für Dürrenmatt-Kenner und die -Liebhaber liegt hier eine reiche Fundgrube vor, die sie lange beschäftigen kann; allen, die dem Propheten von Konolfingen – sicherlich mit gutem Grund – eher mit einigen Distanz gegenüberstehen, werden den hier betriebenen archivalischen Eifer wohl übertrieben finden. Aber ein Archiv muss natürlich tun, wozu es da ist. Und zu entdecken gibt es tatsächlich manches, Wenn es eben auch sehr speziell ist.

Friedrich Dürrenmatt: Das Stoffe-Projekt. Hg. v. Ulrich Weber u. Rudolf Probst. Zürich: Diogenes, 2021. 5 Bände, Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen, 2208 Seiten. 400,– €.

Friedrich Dürrenmatt: Das Stoffe-Projekt I & II

Ich machte eine gut bürgerliche Jugend wie eine Krankheit durch, ohne Kenntnis der Gesellschaft und ihrer Zusammenhänge, behütet, ohne behütet zu sein, immer wieder gegen einen Zustand anrennend, der nicht zu ändern war: Ich selbst war dieser Zustand.

Wie bereits zuvor gesagt, umfassen die Bände I und II die Materialien aus dem Nachlass Friedrich Dürrenmatts zum Stoffe-Projekt bis zu Veröffentlichung des Bands Stoffe I–III im Jahr 1981. Band II enthält den Text dieses Bandes (in der leicht über­ar­bei­te­ten Fassung von 1990, die dem Wunsch des Autors nachkommt, Absätze im Text weitgehend zu vermeiden und so eher einen Textfluss zu erzeugen), Band I chronologisch das seit 1957 bis 1981 aufgelaufene Material des Projektes. Es ist für Einsteiger durchaus zu empfehlen, sich zuerst einmal mit der Lektüre von Band II einen Eindruck von Thematik und Ausrichtung des Gesamtprojektes zu machen und dann erst zum Material in Band I zurückzugehen.

Der 1981 erschienene Band enthält, wie der Titel schon sagt, drei von Dürrenmatts Stoffen, die ihn lange begleitet und dabei durchaus wesentliche Veränderungen erfahren haben. Der erste, Winterkrieg in Tibet, spiegelt Dürrenmatts Auseinandersetzung mit seinen Kriegs- (als Schweizer war er ein eher ferner Beobachter des Geschehens im Zweiten Weltkrieg) und Militärerfahrungen, dem Mythos vom Minotaurus, der auch in anderen Texten und insbesondere auch in Gemälden von ihm eine bedeutende Rolle spielt, und damit unmittelbar zusammenhängend dem Motiv des Labyrinths. Erzählt wird die Geschichte eines Offiziers, der sich in der letzten gigantischen Schlacht des III. Weltkriegs wähnt, der weite Teile der Welt zerstört hat. Er sitzt als General ohne Truppen im Rollstuhl, durchfährt die Höhlengänge unter einem Bergmassiv und schreibt den Text, den der Leser liest, in absoluter Dunkelheit in langen Zeilen an die Höhlenwände. Durchbrochen wird dieser quasi autobiographische Bericht durch eine Art von Herausgeberfiktion, die die Wiedergabe des Textes als Dokumentation eines Fundes der nach dem III. Weltkrieg wieder erstandenen Zivilisation ausweist. Der Text enthält nicht nur die Geschichte und Vorgeschichte des Generals, sondern auch umfangreiche essayistische Passagen, deren Gehalt durch die Figur ihres Erzählers stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Entscheidend für die Lektüre dürfte der Hinweis Dürrenmatts sein, dass die zentrale Figur des Textes nicht Minotaurus repräsentiert, sondern einen Theseus, der seinen Ariadnefaden längst verloren hat und nicht in der Lage ist, einen eigenen zu knüpfen. Die Erzählung dürfte eine der dichtesten sein, die sich in Dürrenmatts erzählerischem Werk findet, und setzt einem einfachen Verständnis massive Widerstände entgegen.

Der zweiten Stoff, Mondfinsternis, ist die Quelle von Dürrenmatts wohl erfolgreichstem Theaterstück Der Besuch der alten Dame. In einem entlegenen Bergdorf der Schweiz, in dem außer Pfarrer, Polizist und Lehrerin nur 14 Familien leben, kommt ein alter, reicher Kanadier an, der nahezu sofort beginnt, alle jungen Frauen des Dorfes intensiv zu begatten. Außerdem verspricht er jedem Haushalt im Dorf eine Million, wenn beim nächsten Vollmond (in zehn Tagen) der Ehemann seiner ehemaligen Geliebten, die der Alte einstmals schwanger zurückgelassen hat, umgebracht wird. Der Betroffene ist angesichts des Reichtums auch für seine Familie durchaus mit dem Plan einverstanden und endet, nach einigem retardierenden Füllstoff, unter einer gefällten Buche. Es erweist sich aber, dass der Verursacher dieser Affäre eigentlich gar nicht an Tod und Rache interessiert ist (ebenso wenig wie an dem Geld, das er zurücklässt), sondern sich in Angst und Not wegen seines Herzens befindet. Als er das Dorf verlässt, erleidet er einen weiteren, diesmal tödlichen Herzanfall.

Der Text ist ohne jegliche Psychologie geschrieben: Eine Entwicklung der Figuren findet nicht statt, die für eine moderne Erzählung eigentlich fatale Wartezeit von zehn Tagen bis zum Vollmond-Termin wird einfach übersprungen, die titelgebende Mondfinsternis findet zwar statt, hat aber trotz der kurzzeitigen abergläubischen Panik der Bauern keinerlei praktische Auswirkung. Interessant ist aber, dass Dürrenmatt weder in der Erzählung selbst, noch in den reflektierenden Texten, die sie umgeben, auf das Motiv des Menschenopfers zu sprechen kommt. Nichts scheint einleuchtender, als den Ankommenden als einen neuen Gott zu lesen, der allgemeine Wohlfahrt verspricht, wenn man nur bereit ist, ihm einen Menschen als Opfer darzubringen. Und nichts ist einleuchtender, als dass ein Gott an nichts weniger interessiert sein kann als daran, ob die Menschen das Opfer tatsächlich vollziehen. Dass Dürrenmatt an diesem Aspekt seines Stoffes weitgehend uninteressiert gewesen zu sein scheint, mag daran liegen, dass in den beiden mythologischen Systemen, die sein Denken geprägt haben (das der griechischen Antike und das des Christentums). Menschenopfer nur eine randständige Rolle spielen.

Der dritte Stoff, Der Rebell, ist der am wenigsten ausgearbeitete; es handelt sich mehr um eine Prosa-Skizze als um eine Erzählung. Erzählt wird in wenigstens zu Anfang spätromantischer Manier vom Sohn eines Philologen, der in den Aufzeichnungen seines verschollenen Vaters eine altertümliche Sprache entdeckt, die er erlernt, um sich dann auf eine ziellose Reise zu machen, die ihn natürlich an die Grenze jenes Landes bringt, deren fremde Sprache er erlernt hat. Dort wird er als eine Art Messias empfangen, als der Retter und Befreier, der die Tyrannis des zuletzt erschienen Befreiers (der möglicherweise sein Vater ist) zerschlagen und wahrscheinlich durch seine eigene ersetzen wird. Warum Dürrenmatt dachte, diese Messias-Allegorie sei geeignet, seine eigene Rebellion gegen die Eltern darzustellen, die eigentlich nur in einem heimlichen und drückebergerischen Ungehorsam bestand, wie ihn jeder zweite junge Mann in der Weltliteratur zustande bringt, ist wenigstens mir unerfindlich geblieben.

Umschlossen sind diese drei Erzählungen von einer Autobiographie, die jeweils passend zu den Erzählungen gewichtet und reflektiert wird. Eine solche offene und zugleich enge Verquickung von autobiographischer und literarischer Erinnerungsarbeit dürfte in der deutschsprachigen Literatur weitgehend singulär sein. Die Materialien in Band I vertiefen diese beiden Aspekte der Stoffe, wobei das Material nicht nur die Stoffe I–III umfasst, sondern natürlich auch auf den späteren Band ausgreift. Hier ist besonders die Wiedergabe der Rekonstruktionen hervorzuheben, eines geschlossenen Textes von 1978, der so bislang unveröffentlicht war und der Dürrenmatt als Steinbruch für spätere Veröffentlichungen diente. Hier ist noch einmal ein Text zu entdecken, der es an Gehalt und Komplexität mit den beiden Nachworten zum Mitmacher-Komplex aufnehmen kann.

Bereits diese beiden Bände enthalten eine kaum auszuschöpfende Quelle für eine Auseinandersetzung mit Dürrenmatt, die mir aber leider, je älter ich werde und je weiter die Texte in der Vergangenheit liegen, um so mehr eine obsolete Angelegenheit zu werden scheint. Es ist zu befürchten, dass Dürrenmatt den Status eines Klassikers, den man ihm offenbar zuzumuten gedenkt, nicht lange innehaben wird. Dafür scheinen einerseits die Voraussetzungen für eine Lektüre zu hoch, andererseits ist der Anschluss zu den Themen der Gegenwart zu dünn. Ich fürchte, er wird trotz seines Reichtums an Reflexion und Erfindung bald nur noch ein Autor für einige wenige Fachleute sein.

Wird fortgesetzt …

Friedrich Dürrenmatt: Das Stoffe-Projekt. Hg. v. Ulrich Weber u. Rudolf Probst. Zürich: Diogenes, 2021. 5 Bände, Leinen, Fadenheftung, Lesebändchen, 2208 Seiten. 400,– €.

Miguel de Cervantes Saavedra: Der geistvolle Hidalgo Don Quijote von der Mancha

Da er sich an die engen Grenzen des Berichtes halte und auf sie beschränke, wo er doch Geschick, Begabung und Verstand genug besitze, um über das gesamte Weltall zu schreiben, soll man, wie er bittet, seine Mühe nicht verachten, sondern ihn loben nicht für das, was er schreibe, sondern für das, was er nicht geschrieben habe.

Die dritte Übersetzung dieses Weltklassikers, die ich nun gelesen habe. Meine erste Lektüre des Buches liegt in der späten Schulzeit und wurde wahllos mit der Übersetzung von Ludwig Braunfels erledigt, die heute noch unter die meistgedruckten deutschen Texte des Romans gehört. Dann geriet ich stark unter den literarischen Geschmack Arno Schmidts und fühlte mich daher genötigt, das Buch noch einmal aus der Feder Ludwig Tiecks zu lesen. Und nun endlich die erste Übersetzung des 21. Jahrhunderts von Susanne Lange, die wohl dem heutigen Leser den besten Eindruck davon vermittelt, wie das Buch im Spanischen auf den Leser wirkt.

Die Geschichte der Übersetzungen des Don Quijote ins Deutsche beginnt erstaunlicher Weise bereits Mitte des 17. Jahrhunderts: Joachim Caesar übersetzt 1648 die ersten 23 Kapitel des ersten Bandes – grob geschätzt ein Fünftel des gesamten Romans –, worin die Entstehung des Wahns Don Quijotes erzählt wird und einige der berühmtesten Abenteuer, darunter der Kampf mit der Wind­müh­le, seine Erlebnisse in einer Schenke, die er für eine Burg hält, die Sichtung und Verbrennung der Bibliothek Don Quijotes, aber auch eine der ersten romantischen Nebenhandlungen, eine der zahl­rei­chen Liebesgeschichten, mit denen besonders der erste Teil des Buches aufgefüllt wird.

Deutlich umfangreicher gerät dann die Übersetzung durch Friedrich Justin Bertuch (1775–1778), die sich als vollständige Übersetzung ausgibt, aber immer noch einige der eingeschobenen Novellen fortlässt, um das Ausschweifende des Romans einzudämmen. Erst die Übersetzung Ludwig Tiecks (1799/1801) liefert tatsächlich den vollständigen Text im Deutschen und ist allein deswegen bis heute im Druck und auch elektronisch verfügbar. Tiecks Text wird zur Grundlage der romantischen Verehrung des Buches, das, neben dem Tristram Shandy, zum Muster für zahlreiche der anek­do­ti­schen und von Nebenhandlungen regierten Erzählungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird. Der Roman wird so auch in Deutschland zum Klassiker, so dass im 19. Jahrhundert gleich fünf weitere Übersetzungen gedruckt werden (Förster und Müller, 1825; Anonym, 1837; Adalbert von Keller, 1839; Edmund Zoller, 1867; Ludwig Braunfels, 1883). Besonders die von Braunfels bläht den Text des Originals unnötig auf, indem er nicht nur in ein möglichst umständliches Deutsch übertragen wird, sondern auch eine unendliche Zahl von kleinsten Einschüben aufweist, was beides Braunfels wohl für eine Verstärkung des beabsichtigten humoristischen Effekts hält. Für das 20. Jahrhundert sind nur zwei Übersetzungen zu verzeichnen: Die von Konrad Thorer (Insel, 1908), die ausdrücklich eine Bearbeitung der anonymen Übersetzung von 1837 ist, und die von Anton M. Rothbauer (Goverts, 1964; zuletzt noch einmal bei Zweitausendeins um die Jahrhundertwende gedruckt), die zwar behauptet, eine eigenständige Leistung zu sein, der man aber das Skelett der Braunfelsschen Übersetzung in jedem Satz anmerkt. Man darf aber nicht zu streng mit Rothbauer ins Gericht gehen, der immerhin die Mühe auf sich genommen hat, eine deutsche Cervantes-Gesamtausgabe mit über 4.700 Seiten in vier Bänden zu erstellen.

Erst im Jahr 2008 legt Hanser mit der Übersetzung von Susanne Lange einen neuen, modernen und entschlackten Text des Don Quijote auf Deutsch vor. Langes Übersetzung ist – soweit ich das erkennen kann – stilistisch unbeeinflusst von den Vorgängern, bewegt sich nah am Original und versucht nicht, den Roman noch lustiger zu machen, als er es ohnehin schon nicht ist. Auch unterlässt sie jeglichen Versuch, die Reichhaltigkeit des Originals auf irgendeinen vermeintlichen Hauptzug zu konzentrieren. Sicherlich ist es so, dass der Don Quijote eine Parodie auf die grassierenden Ritterromane seiner Zeit darstellt, er ist aber auch zugleich – und damit sich selbst ins Wort fallend – ein Kommentar auf die soziale Wandlung der Welt und besonders Spaniens seit dem Abschluss der Reconquista Anfang 1492: Die meisten Ritterorden sind zusammengebrochen, der Ritterstand selbst spielt keine bedeutende Rolle mehr; in Südamerika hausen Glücksritter und Räuberhauptleute und betreiben das Geschäft der Ausbeutung dieses Kontinents; die Seefahrer sind endgültig zu den Helden der neuen Zeit aufgestiegen, und der umherziehende Ritter eines imaginierten Mittelalters taugt nur noch als Verrückter und Witzfigur in einer Welt, in der es in der Hauptsache um Geld geht, nicht um Ehre, Gerechtigkeit, Schönheit oder Liebe. Zugleich bedient Cervantes seine Leser mit verwickelten Liebes- und Fluchtgeschichten, thematisiert den fortdauernden Krieg gegen die Muslime, an dem er selbst teilgenommen und dem er eine Hand geopfert hat, den Konflikt der Religionen, den die Reconquista hinterlassen hat, und die damit einhergehenden Ungerechtigkeiten und persönlichen Schicksale. Don Quijote ist eben nicht nur ein Abgesang auf die heile Welt der Romane (und damit zugleich auf das Erzählen trivialer Phantasien), sondern es ist zugleich eine ganz konkrete und durchaus kritische Bestandsaufnahme der neuzeitlichen Welt.

Hinzukommt, besonders im zweiten Teil, die Frage, inwieweit eine objektive Wahrnehmung dieser Welt überhaupt möglich ist. Don Quijote ist nicht nur ein Verrückter, sondern er stellt durch seine Grundannahme, dass alles, was ihm begegnet, von ihm feindlich gesinnten Zauberern in seiner Erscheinung verändert wurde, und man die Welt nur richtig deutet, wenn man diese Verzauberung durchschaut und rückgängig macht, das Muster des forschenden und erkennenden Menschen der Neuzeit schlechthin dar. Wer den tiefsitzenden Ursprung des Zorns im Streit zwischen Na­tur­wis­sen­schaft­lern und Gläubigen, Empirikern und Metaphysikern, Skeptikern und Verschwörungsanhängern begreifen will, lese dieses Buch. Denn es ist durchaus nicht damit getan, Sancho Panza als realistisches Korrektiv des verrückten Don Quijotes zu lesen, sondern es gilt zu begreifen, dass Panza auch den Verrat der Realisten am Ideal einer gerechten und edlen Welt darstellt. Es ist nämlich alles andere als ein Zufall, dass das Schlitzohr Panza in einer langen Passage des Romans als Richter über ein von ihm eingebildetes Inselreich fungiert und dort als weiser Mann durchgeht, weil er gewitzter ist als die gewitzten Betrüger, über die er zu urteilen hat.

Wer diesen Weltroman der Neuzeit lesen will, greife unbedingt zu dieser schlanken und eingängigen Übersetzung; und man sollte Geduld haben und den Roman nicht deshalb unterschätzen, weil er als humorige Schnurre daherkommt; dafür allein ist er erheblich zu lang geraten. Aber besonders der zweite Teil des Buches hat es in sich, denn wir sind noch lange nicht hinweg über das, was dort erzählt wird.

Miguel de Cervantes Saavedra: Der geistvolle Hidalgo Don Quijote von der Mancha. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Zwei Bände. München: Hanser, 2008. Leinen Fadenheftung, Lesebändchen, 696 + 791 Seiten. 68,– €. Auch als dtv-Taschenbuch 14469.